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Zum neuen Jahr

Wir brauchen eine starke Demenz-Bewegung!

Demenz Neujahr 2023

Unser «Model» Wolfgang Beuschel schaut zuversichtlich in die Zukunft. Bild Daniel Kellenberger

Wird 2023 ein gutes Jahr? Die Chancen stehen gut, dass es besser wird als 2022. Wir wollen unseren Beitrag dazu leisten. Zum Beispiel, indem wir gemeinsam mit den Demenz Meets gesellschaftliche und politische Bewegungen auslösen und unterstützen.

Das Jahr 2022 wird vielen von uns in schlechter Erinnerung bleiben. Eine Pandemie, ein Krieg in Europa, Millionen von Flüchtlingen, eine Renaissance des Faschismus, knappe Energien und hohe Teuerung.

Auch für Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen und Pflegenden ist die Situation eher schlechter geworden. Der Pflegenotstand hat sich verschärft. Wirksame staatliche Unterstützung und gesellschaftliche Akzeptanz lassen weiter auf sich warten. Es gibt mehr Bürokratie und weniger Solidarität.

Die Politik lässt sich vor allem von den Interessen der Krankenversicherungen und der Pharmaindustrie leiten. Für uns Journalisten wird es immer schwieriger, Politiker zu finden, die zu den Themen Demenz und Langzeitpflege Auskunft geben.

Politik hat wenig Interesse an Demenz

Dies liegt auch daran, dass die allermeisten Politiker nicht mit der Materie vertraut sind und sich kaum für die Anliegen von Menschen mit Demenz engagieren wollen. Es sei denn, es gebe irgendwo zur Eröffnung einer Vorzeigeinstitution vor Kameras ein Band zu durchschneiden.

Ein Sinnbild für das Desinteresse der Politik war der Kongress der Deutschen Alzheimer Gesellschaft in Mülheim: Die im Programm angekündigten Lisa Paus (Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend) und Hendrik Wüst (Ministerpräsident Land Nordrhein-Westfahlen) liessen sich entschuldigen.

Die von Paus übermittelte Videobotschaft, in der sie unter anderem ein afrikanisches Sprichwort zitierte, fand ich zynisch. Stossend fand ich auch, dass an dem in der Schweiz zum ersten Mal durchgeführten Treffen der Nationalen Plattform Demenz viele wichtige Player fehlten

Plattform

Das eine nicht tun und das andere lassen

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Doch jetzt ist genug gejammert! Wir durften im letzten Jahr nämlich Zeuge vieler guter Dinge und Begebenheiten werden. So erlebten wir an Veranstaltungen wie den Demenz Meets und an verschiedenen Kongressen schöne Begegnungen mit engagierten und inspirierenden Menschen. Erfreulich ist auch, dass an diesen Veranstaltungen immer mehr Betroffene und Angehörige zu Wort kommen. Wenn sie sich weiter vernetzen und offen aussprechen, was Sache ist, können sie zu einer starken politischen Bewegung werden.

Die Künstler haben mehr Interesse an Demenz

Ein Zeichen, dass das Thema doch nicht so unwichtig ist, waren die vielen kulturellen Werke im Zusammenhang mit Demenz. Hansjörg Schertenleib schrieb das provozierende Theaterstück «Ein Vorhang aus Rasierklingen». Der Regisseur Nahuel Lopez erschuf mit dem Roadmovie «Dear Memories» dem an Alzheimer erkrankten Fotografen Thomas Hoepker ein Denkmal. Regisseur Lars Jensen erzählt in «Mittagsstunde» von Heimat, Stillstand und Wandel. Unser Mitinitiant und Redaktor Michael Schmieder hat sein bemerkenswertes Buch «Dement, aber nicht vergessen» veröffentlicht.

Michael Schmieder liest in seinem Ratgeber zum Umgang mit Demenz

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Lob verdient auch Lena Stühlinger für ihre Aufzeichnungen über die Erkrankung ihres Vaters. Johanna Constantini schreibt bereits am zweiten Buch über ihren an Demenz erkrankten Vater Didi, der in Österreich eine Fussballlegende ist. Ebenfalls im Tirol haben Peter Wißmann und Christina Pletzer den praxisnahen Ratgeber «Das Leben meistern» geschrieben. Es gibt nichts Gutes, ausser man tut es: Auf unserem Facebook-Kanal berichteten wir über den jungen Fussball-Fan Santino Senn, der den langjährigen FC-Aarau-Fan Ernst Macchi (an Demenz erkrankt) an die Heimspiele begleitet.

Sind wir am Tiefpunkt des Tiefpunktes angelangt?

Trotz vieler schöner Erlebnisse und meines angeborenen Optimismus dachte ich schon im Dezember 2021: «Schlimmer geht’s nimmer. Es kann nur noch aufwärts gehen.» Doch leider kam es anders. Sind wir denn jetzt «am Tiefpunkt des Tiefpunktes» (Zitat Rudi Völler) angelangt? Wird 2023 besser als die drei von der Pandemie und ihren Folgen geprägten Vorjahre? Nun ja, die Pandemie scheinen wir überwunden zu haben. Und Putin hat die Grenzen aufgezeigt bekommen, ein Ende des Krieges ist in Sicht.

«Nirgends anderswo wird so viel Wert auf differenzierte und anspruchsvolle Berichterstattung gelegt, als auf demenzjournal.com. Das Niveau ist stets hoch, dabei aber nicht abgehoben.»

Raphael Schönborn, Geschäftsführer Promenz, Wien

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Und was passiert mit Menschen mit Demenz, ihren Angehörigen, Pflegenden und den guten Seelen, die sich für ihre Anliegen engagieren? Der politische Weg zu besseren Lösungen, zu besserer Pflege, mehr Unterstützung und weniger Bürokratie ist lang. Umso mehr sind wir auf Eigeninitiativen angewiesen. Auf engagierte Menschen, die Gutes tun und einen langen Atem haben.

Wir werden auf diesem Kanal auch im kommenden Jahr mehr positive als negative Geschichten zu erzählen haben. Wir werden weiterhin engagierte Menschen mit spannenden Projekten vorstellen und hoffen, damit Nachahmer zu inspirieren.

Die demenzworld kommt!

Eine grosse und positive Änderung steht uns als Betreiber der Websites alzheimer.ch und demenzwiki bevor: Im kommenden Jahr schliessen wir uns mit den Demenz Meets zusammen und schaffen mit demenzworld ein Zuhause für Demenzbetroffene. Wir verbinden unsere Angebote mit jenen der Demenz Meet-Verantwortlichen um Dominik Isler, Fabian Wassmer und Florence Hübner.

Unser Ziel ist es, zu einer starken Demenz-Bewegung im deutschsprachigen Raum zu werden. Wir wollen dafür sorgen, dass die Anliegen von Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen und Pflegenden besser wahrgenommen werden und mehr politisches und gesellschaftliches Gewicht bekommen. Denn damit wirkliche Verbesserungen geschehen, braucht es eine starke Bewegung, die von uns allen vorangetrieben wird.