Eine Demenzdiagnose ist nicht das Ende, aber sie bedeutet Veränderung. Wie gut du dich zurechtfindest, hängt damit zusammen, ob du die neue Situation annehmen kannst. Überlege dir, welche Denk- und Verhaltensmustern dich bisher geleitet haben – und was du jetzt anders machen darfst. Eine offene Kommunikation mit deinen Liebsten ist dabei entscheidend.

Wie du eine neue Perspektive entwickelst

Das gesellschaftliche Bild von Demenz macht Angst. Demenz wird gleichgesetzt mit Pflegefall und Abhängigkeit. Allerdings wird dabei übersehen, dass Menschen mit Demenz durchaus eine gute Lebensqualität haben können. Du kannst die Basis dafür schaffen, indem du deine Sicht auf Demenz anpasst, Veränderungen annimmst und dennoch gestaltest.

Demenz, das Schreckgespenst

Viele fürchten Demenz wegen des Verlusts von geistigen Fähigkeiten und Identität. Wir verbinden den Begriff mit Abhängigkeit, Isolation, Scham vor ungewöhnlichem Verhalten und der Sorge, anderen zur Last zu fallen. Auf Menschen mit Demenz lastet ein Stigma: Sie verhalten sich nicht mehr so, wie es gesellschaftliche Normen fordern. Aus Angst vor Ausgrenzung verschweigen Betroffene deshalb oft ihre Diagnose – was den inneren Leidensdruck und die Isolation verstärkt.

Diesen Teufelskreis musst du durchbrechen. Überlege dir, welche Denkmuster dich prägen. Selbsthilfegruppen sind ein wirksames Mittel, um Gedanken auszutauschen und gemeinsam das Tabu zu brechen. Die Selbsthilfegruppe PROMENZ will eine entspannte Sicht auf Demenz fördern: Hier ist das Vergessen ganz normal.

Loslassen und annehmen

In unserer Leistungsgesellschaft wird das Nachlassen der Kräfte oft beiseitegeschoben. Das macht es schwer, wenn man mit einer Demenzdiagnose konfrontiert wird. Plötzlich muss man viel loslassen und sich dem Fluss des Lebens anvertrauen.

Loslassen ermöglicht Raum für neue Erfahrungen. Der Philosoph Walter Jens entdeckte in der Demenz seine Liebe zur Natur und zu Tieren, was er als Denker zuvor übersehen hatte. Doch zweifellos ist loslassen ein schwieriger Prozess, zu dem auch Widerstand, Wut und Trauer gehören. Lass diese Gefühle zu – in einem Gespräch, beim Laufen oder indem du sie malst.

Auch wenn es keine Zauberformel fürs Loslassen gibt: Wir haben einige Ideen zusammengestellt, wie du deine neue Lebenssituation besser annehmen kannst:

📋 Die Diagnose Demenz annehmen

Bleibe aktiv

Eine Demenzdiagnose zieht einem den Boden unter den Füßen weg. Womöglich fällst du jetzt in ein Loch und bist unsicher, ob du noch allein in den Nachbarort auf den Markt fahren solltest.

Frage dich jetzt:

  • Was macht dich glücklich?
  • Wie wichtig ist dir Sicherheit und wo riskierst du etwas für deine Lebensfreude?

💡 Mach die Dinge, die du magst und kennst, so lange wie möglich weiter.

Du musst auch nicht beim Alten, Gewohnten bleiben. Gerade jetzt ist die Gelegenheit, etwas ganz Neues anzupacken! Yasemin Aicher hat mit ihrem Mann Frank ein Buch geschrieben, Beni Steinauer und Partner Rolf haben ein Musikstück aufgenommen, Claudia Schreiber ist mit ihrem Sohn in die Südsee gereist.

Fordere Teilhabe ein

Der Alltag bietet eine Reihe an Herausforderungen für Menschen mit Demenz. Ein Besuch im Supermarkt oder ein Spaziergang durch die Stadt kann durch die Reizüberflutung schnell zu viel werden. Aber nur weil du eine Demenz hast, heißt das nicht, dass du auf öffentliches Leben verzichten musst – im Gegenteil! Überlege dir, wer dich bei deinem Vorhaben unterstützen kann und sprich Vereine, Orte und Einrichtungen direkt an. Die meisten werden versuchen, dir zu helfen.

💡 Je mehr Menschen ihre Teilhabe aktiv einfordern, desto schneller wird sich etwas ändern.

Wie Technik deine Autonomie unterstützen kann, erfährst du im Kapitel »Tipps für den Alltag«.

Entscheide selbstbewusst

Es gibt viele Experten im Demenzbereich, darunter natürlich professionell Pflegende und Mediziner. Doch Demenz ist individuell verschieden und Fachleute haben je nach Ausrichtung ihre eigene Perspektive darauf. Mitarbeiter in Pflegeheimen haben es zum Beispiel meist mit älteren, multimorbiden Menschen zu tun, was ihre Sicht prägt.

Obwohl es sinnvoll ist, sich an Fachpersonen zu wenden: Führe dir vor Augen, dass niemand deine persönliche Situation so gut kennt wie du selbst. Peter Wißmann und Christina Pletzer bringen es in ihrem Ratgeber auf den Punkt: »Konzentrieren Sie sich auf Ihre Kompetenz als ›Expertinnen in eigener Sache‹ und bringen Sie diese selbstbewusst ein!«.

💡 Hol dir Rat und erwäge, was für deine Situation am besten passt.

Wie du den »Kippschaltereffekt« vermeidest und Beziehung lebst

Gestern war sie Gertrud Kneipp aus Kitzingen. Heute ist sie eine Patientin, die »demenzkranke Ehefrau«. Familie und Freunde behandeln Gertrud wie ein rohes Ei und wollen ihr alles abnehmen, auch wenn sie ihre Aufgaben heute noch genauso gut bewältigt wie gestern. Der Demenz-Experte Peter Wißmann spricht vom »Kippschaltereffekt«.

Vielleicht tritt dieser Effekt auch bei dir auf und dein Umfeld will dich schützen, indem es dich gar nichts mehr machen lässt. Suche mit überfürsorglichen Angehörigen das Gespräch und steh für deine Autonomie ein. Erkläre ihnen:

  • wo du Unterstützung brauchst.
  • was du selbst tun willst, weil du es kannst und es dir guttut.

Sei dennoch offen für die Sorgen der Menschen, die es gut mit dir meinen. Vielleicht haben sie in einem Punkt recht und ihr könnt gemeinsam eine Lösung finden. Sinnvoll kann zum Beispiel das Abgeben des Führerscheins sein. Schädlich ist, wenn du das Gefühl hast, nicht mehr für voll genommen zu werden. Nutze diesen Leitfaden für ein klärendes Gespräch:

📄 Bedürfnisse aussprechen

Sprecht regelmäßig über euer Empfinden. Mit fortschreitender Demenz wird sich die Situation wieder verändern. Dann solltet ihr eure Maßnahmen und Strategien anpassen. Ein offener Dialog ist dafür entscheidend.

Ein gutes Leben mit Demenz hat viel mit Beziehungsarbeit zu tun, wie die Erfahrung von Beratungsstellen zeigt: Die Probleme von Hilfesuchenden haben weniger mit der Demenz an sich zu tun, sondern vor allem mit Beziehungsthemen. So gesehen birgt Demenz die Chance, Beziehung reicher zu leben.

💡Vertraut auf eure Stärken und verfeinert euer Repertoire, indem ihr auf Augenhöhe Beziehung gestaltet.

Arbeitsblätter, Checklisten & Co. zum Thema

Diese Downloads helfen dir, individuelle Lösungen für dein Leben mit Demenz zu finden.

📋 Die Diagnose Demenz annehmen
Einige Ideen, wie du mit deiner neuen Situation besser umgehen kannst

📋 Bedürfnisse aussprechen
Nutze diesen Leitfaden für ein Gespräch über Bedürfnisse, Ängste und Lösungen

Videos zum Leben mit Demenz