Von Peter Wißmann, Beni Steinauer und Rolf Könemann
Beni sitzt im Bus. Er sieht eine alte Dame, die Mühe hat beim Einsteigen. Beni steht auf und bietet ihr seine Hilfe an. Der Einstieg gelingt, die Dame setzt sich mit einem Seufzer neben Beni und sagt: «Vielen Dank! Bei mir geht es nicht mehr wie früher.»
Beni lächelt sie an und sagt: «Ich verstehe das. Bei mir klappt es auch nicht mehr richtig. Ich habe Demenz.»
«Wie kann das sein? Sie sind doch viel zu jung für so etwas!»
Während der Bus Richtung Bahnhof fährt, entsteht ein angeregtes Gespräch. Die Frau will wissen, wie sich eine Demenz anfühlt und entwickelt. Zum Abschied wünscht sie Beni alles Gute und sagt, sie habe viel Neues erfahren. Beni wird an diesem Tag noch mehr solche Gespräche führen.
Rolf kennt solche Geschichten und freut sich jedes Mal aufs Neue. «Ich finde es toll, wie Beni das macht. Wie er mit seinen Handicaps umgeht. Manchmal mache ich mich darüber ein wenig lustig. Na, sage ich dann, nach dem dritten Satz weiß so ziemlich jeder, dem du begegnest, dass du eine Demenz hast. Aber das meine ich spaßig. In Wirklichkeit bin ich ein bisschen stolz darauf, dass er das so macht.
Anfangs hatte ich damit durchaus meine Schwierigkeiten, es war mir ein wenig peinlich. Aber das sehe ich mittlerweile ganz anders.» Oft erleben sie beide zusammen solche Situationen und nutzen die Gelegenheit, anderen Menschen ganz persönlich etwas zu vermitteln, was diese vorher nicht wussten.
Beni und Rolf lassen sich bei einem jungen türkischstämmigen Mann die Bärte schneiden. Der Barbier sagt Beni, wie er den Kopf halten soll. Beni hat Schwierigkeiten, den Aufforderungen zu folgen. Der Barbier ist erstaunt. Rolf mischt sich ein: «Mein Mann kann das nicht so schnell umsetzen. Er hat Demenz.»
Der Barbier kann das nicht einordnen und glaubt, dass Beni Multiple Sklerose hat. Rolf lässt sein Smartphone «Demenz» auf Türkisch übersetzen und zeigt es dem Barbier. Der junge Mann hat sich noch nie mit dem Thema auseinandergesetzt. Es entwickelt sich ein intensives Gespräch über Krankheit, Tod und den Glauben an höhere Mächte.
«Das war toll, das gibt mir Kraft! Ich liebe solche Gespräche. Und es ist immer wieder erstaunlich, wie interessiert die Menschen an einem solch schwierigen Thema sind, wenn da eine lebendige Person vor ihnen sitzt und erzählt», schwärmt Beni. Wie steht es in der Gesellschaft mit Blick auf den Umgang mit dem Thema Demenz? «Es hat sich schon Vieles in Richtung auf einen besseren Umgang entwickelt», meinen Beni und Rolf. Aber es muss noch viel mehr getan werden.
Kaum jemand weiss, dass es jüngere Menschen mit Demenz gibt
Gerade auch, wenn es um jüngere Menschen geht, die kognitive Einschränkungen haben. Denn sie fallen weitgehend immer noch aus dem Blick der Menschen heraus. Nur wenige Menschen wissen, dass es auch jüngere Betroffene gibt. Und kaum jemand hat deshalb auch eine Vorstellung davon, vor welchen Problemen solche Personen im Alltag stehen. Rolf: «Was Beni macht, die Menschen um ihn herum ganz selbstverständlich und locker über seine Situation zu informieren und damit wirklich tolle Gespräche auszulösen, ist ein Weg, um eine größere Sensibilisierung zu erreichen.»
Beni und Rolf am Demenz Meet in Basel
Am Samstag, 17. Juni 2023 findet in Basel das Demenz Meet statt. Die Veranstaltung soll Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen ermutigen, inspirieren und vernetzen – unter anderem mit einer Mutmach-Geschichte von Beni Steinauer und Rolf Könemann.
> Hier findest du Informationen und Tickets zum Demenz Meet Basel
«Ja sicher. Wenn wir nicht darüber sprechen, wie sollen es andere Menschen dann erfahren und lernen? », sagt Beni. «Das sollten noch viel mehr Betroffene tun. Dann bewegt sich auch etwas.»
Offenheit schafft Beinfreiheit
Aber stößt man, wenn man so offen ist, nicht auf Ablehnung bei anderen Menschen? Muss man nicht negative Reaktionen erwarten, Unverständnis, Anmache und vielleicht sogar Beleidigungen? «Ganz und gar nicht», beteuern Beni und Rolf. «Wir sind nie auf negative Reaktionen gestoßen. Nun gut, einmal doch. Da ging es um eine falsch sitzende Corona-Maske. Aber auch das ließ sich dann schnell klären. »