Herr Fock wunderte sich, dass so viele Leute die Kirche belagerten. Eigentlich war es doch ein bisschen seine Kirche, fand er. Er setzte sich ganz hinten in eine Bank, Timo sprang auf seinen Schoss, er hatte ebenfalls keine Lust auf das Gewühl. Herr Fock hoffte, dass die Menschen bald abziehen würden, aber es sah nicht danach aus.
Sie sangen mit weit geöffneten Mündern und roten Wangen, standen auf, brabbelten etwas vor sich hin und setzten sich wieder. Dann stieg ein Mann mit schwarzem Umhang auf ein Podest und hörte gar nicht mehr auf zu reden. Ungeduldig rutschte Herr Fock auf seiner harten Bank hin und her, und schliesslich beschloss er zu gehen. Er stand auf, ging schnell in Richtung Ausgang, Timo heftete sich an seine Fersen. Ein paar Leute schauten ihnen missbilligend hinterher.
Als sie auf dem leeren Kirchenvorplatz standen, atmete Herr Fock tief durch, sein Atem blies kleine Wolken in die Luft. Ihm war kalt, und er trat von einem Bein auf das andere, Timo musste aufpassen, dass er nicht aus Versehen einen Tritt abbekam. Vorsorglich maunzte er laut, und als Herr Fock nach unten schaute, fiel sein Blick auf kleine Leuchtbilder am Boden.
Es waren Boote, die genauso aussahen wie die Schiffe, die in den Bäumen hingen.
Die Boote am Boden bildeten einen Lichterpfad, Herr Fock und Timo mussten ihm nur folgen. Sie durchquerten die Bahnhofstrasse, bogen rechts ab, wo sie zum Treppenviertel kamen. Auch auf den Stufen der unzähligen Treppen, die zur Elbe führten, waren Leuchtbilder am Boden. Sie kamen vorbei an winterlichen Gärten, sahen durch die Fenster Tannenbäume und Menschen, die Pakete in den Händen hielten. Schliesslich gelangten sie nach unten, die Elbe lag ruhig im Nebel da. Noch ein paar Schritte, und sie waren am Schiffsanleger. Kaum jemand war um diese Zeit unterwegs, sie hatten den Anleger für sich allein, das Wasser unter ihnen gluckerte leise.
Als sie länger standen, sahen sie, wie aus dem Nebel Schiffe auftauchten, hell erleuchtet, manche hatten auf dem Deck einen Tannenbaum stehen. Ab und zu glitt ein Containerschiff vorbei, am Heck konnte man den Namen des Heimathafens lesen. Herr Fock versuchte, die Namen zu entziffern und sich zu erinnern: Port Louis, Stone Town, Pointe-à-Pitre …
Ein kühler Wind blies ihm von der Elbe ins Gesicht, und er zog seine Mütze tiefer in die Stirn; Timo versuchte, in eines seiner Hosenbeine zu kriechen. In diesem Moment näherte sich eine Barkasse dem Anleger, Herr Fock winkte, und das Schiff hielt tatsächlich auf sie zu. Schliesslich machte es am Anleger fest, und der Kapitän rief ihnen zu, ob sie am Heiligabend nicht Besseres zu tun hätten, als am Anleger zu frieren.
Dann gab er ihnen ein Zeichen, an Bord zu kommen.
Im Innern der Barkasse war es warm, die Wände waren mit Holz ausgeschlagen. In einer Ecke stand ein etwas schiefer Tannenbaum, der leicht hin und her schwankte, als das Schiff sich in Bewegung setzte. Eine kleine Krippe gab es auch, und Timo steckte neugierig seinen Kopf hinein. Vielleicht hatte er gehofft, dort ein Katzenbaby zu finden, aber es war bloss Jesus. Durch das Schwanken rollte das Jesuskind von einer Seite auf die andere, irgendwann würde es seekrank werden.