Fotografien: In der Rekrutenschule springst du mit Anlauf in die Sandbahn, in Leibchen und Turnhose. Dein Gesicht springt mit. Auf dem zweiten Bild lehnst du dich an deine erste Frau mit der Selbstverständlichkeit der Nähe. Dann sehe ich den reifen Mann, gesetzt und selbstbewusst an einer Festtafel sitzend. Und auf dem vierten Bild kauerst du, verloren Suchender, in einer Runde im Wald, das Selbst erkundend. Du hast dich zum zweiten Mal scheiden lassen.
Ich erkenne sie alle in deinem Gesicht, im Gesicht des Greises. Du liegst auf dem Bett, die Augen geschlossen. Und als du sie öffnest, bist du der, der du jetzt bist. Ich beginne eine Liebe zu mir – und das ist kein Verrat an dir.
Die Nachtwache ruft morgens um fünf Uhr an: Oberschenkelhalsbruch. Um sechs Uhr bin ich im Spital. Am Abend liegst du im Aufwachraum und röchelst im Schlaf. Ich verbringe die nächsten fünf Tage bei dir. Die Pflegenden wissen wenig über Alzheimerdemenz und sie haben noch weniger Zeit für deine Bedürfnisse. Ich übernehme Arbeiten, die in der Krankenhausroutine nicht vorgesehen sind: Füttern, Trösten, Beruhigen. Du kannst nicht mehr sprechen und hast tagelang die Augen geschlossen. Ich übersetze den Pflegenden, was deine Abwehrreaktionen bedeuten, weil sie deine Ängste als bösen Willen lesen.