10. Januar 2023
Gestern war mein 70. Geburtstag.
Ursprünglich sollte zu diesem Termin mein neues Buch Tod der Autorin erschienen, ein Memoir, eine Autofiktion, eine Autorinnenfiktion oder was auch immer, ein Rückblick auf mein Leben durch Gespräche mit den Hauptfiguren meiner zwölf Romane, die ich zu einem festlichen Dinner 70 einlade. Doch der Verlag schafft es nicht rechtzeitig; das Buch wird erst im Laufe des Jahres veröffentlicht werden und so wird nichts aus meinem Plan, meinen Geburtstag zusammen mit der Buchpremiere zu feiern.[1]
Ein großes Dinner 70 wollte ich wegen der anhaltenden Corona- und Grippewelle aber sowieso nicht riskieren und so haben nur meine Liebsten mir den Übergang in ein neues Jahrzehnt versüßt, das auf jeden Fall zu den letzten in meinem Leben gehören wird. Ich bin von A. und S. und seiner Freundin D. mit wohlüberlegten und sehr persönlichen Geschenken verwöhnt worden, u. a. mit der neuen LP Earth, Wind & Feiern von Jan Delay, die wir dann gleich zusammen gehört haben. Sein Song »Saxophon« war prompt ein Anlass, alte Anekdoten aufzuwärmen aus der Zeit, als der kleine Jan zusammen mit A. in den Kinderladen ging und ich ihn eine Zeitlang als Tagesmutter betreut habe. Schmunzeln musste ich besonders bei den Zeilen:
Und Mama hat gesagt: Mein Süßer
Mach dir keinen Kopp, mein Sohn
Wir haben zwar keine Einbauküche
Doch Papa hat ‘n Saxophon, oh ja
Heute weiß ich ja, das musste und es sollte so
Habt alles richtig gemacht
Ja, Mann, eure Liebe und auch euer Vollkornbrot
Haben mich bis hier gebracht, oh-ja-ja-ja-ja
Ich erinnerte mich an die endlosen Kämpfe die Jans Mutter mit ihrem Sohn ausgefochten hat, wenn es um Gesundheit (Keine Süßigkeiten! Immer Hausschuhe tragen!) und Erziehung zum Pazifismus (Keine Spielzeugpistolen! Schwerter, na ja, hmmh, muss das sein?) ging. A. erinnerte sich, dass Jan, wenn er bei uns war, alles Mögliche (Legosteine, Brotrinde) zu Pistolen und Gewehren umfunktionierte, ausdauernd rumballerte und ständig nach Süßem verlangte.
Ich habe jedenfalls mit Vergnügen gehört, dass Jan, der inzwischen selbst Vater ist, mit Milde auf seine Kindheit zurückblickt und die Liebe versteht, die auch hinter dem steckte, was er damals als Schikane und Zumutung (Vollkornbrot!) erlebt hat. Mir haben A. und S. das berühmt-berüchtigte Vollkornbrot inzwischen nicht nur verziehen, sondern sie legen selbst großen Wert auf eine gesunde Ernährung.