22. November 2022
Jetzt habe ich mich von deinem Gedicht wegführen lassen, von dir zu mir. Ich will aber vor allem über dich schreiben, von dir erzählen, von dem Menschen, der du warst. Zu der Zeit, in der dein Lyrikband Ich schrubb von unten entstand, bekamst du vom Arbeitsamt das Angebot, einen zehnmonatigen EDV-Kurs zu machen, kostenlos und bei Weiterzahlung deines auskömmlichen Arbeitslosengeldes. Mit dieser Fortbildung stünde deiner weiteren Karriere als Maschinenbau-Ingenieur nichts mehr im Wege.
Du hast lange darüber nachgedacht.
Eigentlich muss ich das machen, hast du immer wieder gesagt. In zwei Jahren werde ich vierzig. Ich könnte nochmal durchstarten, könnte richtig Kohle scheffeln. Aber wann bleibt mir dann Zeit für uns? Und Zeit zum Schreiben? Am liebsten hätte ich einen Halbtagsjob als Ingenieur, aber das gibt‘s in der Branche nicht, im Gegenteil, ständig sind Überstunden angesagt. Sie wollen mich ganz oder gar nicht, wollen mich mit Haut und Haar verschlingen.
Meine Haut und mein Haar sollen aber nur von dir verschlungen werden.
So ähnlich hast du laut überlegt. Ich wusste nicht, wozu ich dir raten sollte. Ich wollte dich nicht, kaum dass wir uns gefunden hatten, an deinen Job verlieren. Andererseits machte ich mir über deine Zukunft als Poet keine romantischen Vorstellungen. Zu Poet gehört arm. Ein armer Poet, wolltest du das sein?