Zuweilen scheint es mir, dass Frauen besser mit der bösen Botschaft Demenz umgehen können als wir Männer. Vielleicht schon deshalb, weil uns beigebracht wurde, keine Schwächen zu zeigen, und wir fürchten, statt Beschützer nur noch Schützling zu sein. Besonders schmerzlich trifft es offensichtlich Männer wie Martin, die sich beruflich und familiär gern in einer Führungsrolle sehen (s. Teil 2). Denkbar auch, dass das Drama, nicht mehr Herr im eigenen Haus zu sein, durch eine Reihe biografischer Erzählungen verstärkt wird, in denen vorwiegend Männer als traurige Helden auftreten.
Schon der Protagonist eines der ersten Bücher zum Thema Demenz ist ein Mann. Anfang der 1980er-Jahre unter dem Titel «Hirngespinste» erschienen, wurde es ein Bestseller, verfilmt und in 16 Sprachen übersetzt, inzwischen sogar in die Lehrbibliothek für angehende Pflegekräfte aufgenommen.
Dement, aber nicht vergessen
In seinem Ratgeber «Dement, aber nicht vergessen» gibt der Demenzexperte Michael Schmieder neun Empfehlungen, was Betroffenen und Angehörigen guttut. Dazu nutzt er seinen Erfahrungsschatz als Gründer des Heims Sonnweid in Wetzikon und als Angehöriger. alzheimer.ch veröffentlicht das erste Kapitel des Buchs in drei Teilen.
Das Besondere und gleichzeitig Beängstigende dieser Studie liegt in seiner Innensicht. Der holländische Autor J. Bernlef versetzt sich in die Gefühlswelt seines Protagonisten Maarten und lässt den ehemaligen Manager bis zum bitteren Ende aus seiner Sicht erzählen, wie Erinnerungen und Bindungen schwinden.
Auch eines der bekanntesten und besten literarischen Zeugnisse solcher Tragödien signalisiert schon im Titel die Verlustängste eines Mannes: «Der alte König in seinem Exil» heisst der einfühlsam geschriebene Abgesang Arno Geigers auf seinen Vater und ist schon deshalb lesenswert, weil er in jeder Phase seines Buchs die Würde des demenzkranken Mannes. wahrt. Auch bei ihm beherrscht Leiden als Grundmotiv die Handlung, wie fast alle literarischen Zeugnisse der Demenz.
Eine der wenigen Ausnahmen bildet das Theaterstück von Peter Turrini mit dem vielsagenden Titel «Gemeinsam ist Alzheimer schöner». Im szenischen Wechsel zwischen Gegenwart und Vergangenheit zeigt es, wie sich ein altes, seit Jahrzehnten zerstrittenes Paar neu und innig verliebt, weil beide den gegenseitigen Überdruss und Hass früherer Jahre vergessen haben.
Dichtung und Wahrheit müssen sich nicht ausschliessen, häufig sind sie miteinander verwoben. Immer wieder gibt mir die Realität Grund zur Freude, wenn ich Paare wie die Bergers beobachte, die Arm in Arm durch den Sonnweidgarten spazieren. Oft hat Herr Berger noch die Staude in der Hand, die er samt Wurzel aus dem Beet gerissen hat. Denn dass er seiner Frau Regina, die ihn fast jeden Tag besucht, zur Begrüssung eine Blume überreichen will, weiss er noch, hat es aber schon vergessen, nachdem er sie umarmt und geküsst hat.
Küssen könne er noch wie früher, gesteht sie lächelnd. Auch wenn sich das Happy End der beiden erst nach dem langen Leidensweg seiner Erkrankung eingestellt hat, kommt mir bei ihnen der bekannte Satz in den Sinn: «… und sie lebten glücklich bis ans Ende ihrer Tage.»