Burnout in der Pflege verhindern – mit Selbstfürsorge

Selbstfürsorge

Ausgebrannte Pflegende wärmen nicht

Tanja Ringgenberg Pflegerin und Coachin

Für Tanja Ringgenberg sind die Herausforderungen der Zukunft nur zu meistern, wenn sich die Pflegenden mehr in Achtsamkeit und Selbstfürsorge üben. Bild PD

Fürsorge ist der Kern der Pflege. Doch wie schon Liliane Juchli betonte, wärmen ausgebrannte Pflegende nicht. Selbstfürsorge sollte schon in den Schulen auf dem Stundenplan stehen, ist die Pflegefachfrau Tanja Ringgenberg überzeugt – und gibt gleich ein paar konkrete Tipps.

In meiner Ausbildung zur Pflegefach­frau HF habe ich viele spannende Dinge gelernt. Unter anderem haben wir wäh­rend der Ausbildung viel Zeit damit verbracht, zu lernen, wie wir Patien­t:innen in Krisensituationen unterstüt­zen. Wie wir die Resilienz der Patien­t:innen stärken und wie wir ihre mentale Gesundheit fördern.

Obschon wir alle das berühmte Zitat der Pflegepionierin Liliane Juchli »Ausgebrannte Pflegende wärmen nicht« kennen, haben wir wäh­rend der Ausbildung nicht gelernt, wie wir auf uns selbst achtgeben können. Das Dilemma fängt schon in der Primar­schule an: Anstatt zu lernen, wie wir gut durch unser Leben kommen und uns mit dem Glücklichsein auseinan­dersetzen, lernen wir die Länge der Aare und die Höhe der Schweizer Berge. Ich möchte auf keinen Fall sagen, dass Patient:innenedukation oder Geografie nicht wichtige Themen für den Unter­richt sind. Doch ich möchte euch, liebe Leser:innen, heute mitnehmen auf eine kleine Reise in die Zukunft.

Der persönliche Aspekt bleibt oft auf der Strecke

Wir wissen, dass wir in den kommen­ den Jahren immer mehr polymorbide (an mehreren Krankheiten leidende) Patient:innen antreffen wer­den. Und dies, wenn es so weitergeht, mit weniger Pflegenden, als nötig wä­ren. Wir stehen vor neuen Herausforde­rungen auf medizinischer, pflegerischer und auch persönlicher Ebene. Während neue Medikamente entwickelt werden und wir neue Pflegekonzepte schreiben, bleibt der persönliche Aspekt leider oft auf der Strecke.

Wo stehen wir also in einigen Jahren, wenn wir nicht jetzt damit starten, den Pflegenden schon in der Ausbildung Kompetenzen zur Selbstfürsorge und zum Umgang mit Stress mitgeben? Wo stehen wir mit un­serer Berufsgruppe in Zukunft, wenn wir jungen Pflegenden nicht einen Weg zeigen, besser mit dem teils belastenden Berufsalltag umzugehen?

Der Weg in die Zukunft

Ich bin überzeugt, dass das eine Grund­lage ist, um viele Herausforderungen in der Pflege zu lösen. Pflegende, die gute Strategien für den Ausgleich zum Be­rufsleben haben, die Methoden kennen, um nach dem Dienst abzuschalten und die sich selbst Sorge tragen: Das ist die Zukunft. Denn diese Pflegenden kön­nen den Beruf mit Freude ausüben, sind innovativ und haben Energie, sich für ihn zu engagieren.

Die Schulen sollten daher solche The­men in die Ausbildung einbauen. So könnte zum Beispiel ein Fach heißen: Achtsamkeit im Pflegeberuf. Und da – ja, ich weiß, das klingt ganz verrückt – geht es einmal nicht um die Patient:innen, sondern um die Pflegenden. Sie würden lernen, nach dem Dienst zur Ruhe zu kommen, damit sie nicht im Bett schon die nächste Schicht durchplanen. Sie würden lernen, ihren Körper wahrzu­nehmen und auf seine Signale zu hören und wären so nicht mehr vom Präsen­tismus betroffen, wie man das Phäno­men »auf dem Dienst erscheinen trotz Krankheitssymptomen« nennt.

Und stellt euch vor, sie würden lernen, frühzeitig mit Stress umzugehen, um langen Krankheitsausfällen wegen ei­ner Erschöpfungsdepression oder einem Burn­out vorzubeugen. Damit dies alles nicht nur eine utopi­sche Vorstellung der Zukunft bleibt, bitte ich die Ausbildungsorte drin­gend, diese Inhalte zu unterrich­ten. Und ich bitte auch die Betriebe, die Mitarbeitenden in diesem Themenbereich zu schulen.

Hier geht’s zum Podcast von Tanja Ringgenberg:

Probiert es doch mal aus!

Und ich möchte euch, liebe Leser:innen, bitten, die folgenden Übungen einmal auszuprobieren:

  • ❤️ Hände auf die Herzhöhe legen ❤️ Be­rührungen beruhigen, das wisst ihr: Denn ihr legt so oft intuitiv eine Hand auf die Schulter eine:r Patient:in, wenn sie verzweifelt ist. Auch sich selber zu berühren, bringt Ruhe. Wenn ihr euch also das nächste Mal in einer stressigen Situation wieder­findet, legt eure Hand auf euer Herz. Spürt die Wärme der Hand und atmet dreimal tief ein und aus.
  • 🚶🏻‍♀️ Spaziergang nach Hause 🚶🏻‍♀️Nach dem Feierabend hängen viele gedanklich noch am Arbeitstag. Wenn ihr das auch tut, dann steigt doch einmal eine Bus­haltestelle zu früh aus und lauft nach Hause. Oder parkt das Auto und geht noch 20 Minuten in den Wald spazieren. Es hilft!
  • 🙏 Meditationspraxis 🙏 Ich empfehle allen, Meditation in euer Le­ben zu integrieren. Es reicht schon, wenn man sich fünf bis zehn Minuten pro Tag Zeit für sich selbst nimmt und eine geführte Meditation hört. Die findet man beispielsweise auf YouTu­be, ihr könnt aber auch gerne bei mir anfragen.

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Dieser Beitrag erschien in der Zeitschrift «Krankenpflege» des SBK (Schweizer Berufsverband der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner), 2/2024, Seite 30. Herzlichen Dank an die Redaktion und die Autorin für die Gelegenheit der Zweitverwertung!