alzheimer.ch: Frau Zeller, wissen Sie schon, ob der St.Galler Demenzkongress dieses Jahr stattfinden kann?
Prof. Heidi Zeller: Ja, im Moment gehen wir davon aus. Die Planung ist abgeschlossen, jetzt stecken wir bereits mitten in der Bewerbung des Anlasses: Man kann sich anmelden und das ist sehr gut angelaufen. Wegen der instabilen Corona-Situation sind wir uns natürlich bewusst, dass noch Änderungen möglich sind. Wir werden die im November gültigen Schutzmassnahmen anwenden. Diese werden auf der Kongress-Webseite kommuniziert werden.
Auch wir werden dies selbstverständlich kommunizieren. Der diesjährige Kongress ist eine abgespeckte Version, welche Massnahmen haben Sie getroffen?
Wir haben die Zahl der Teilnehmenden halbiert, es werden nur 500 Personen zugelassen, damit die Abstandsregeln besser eingehalten werden können. Weiter haben wir das Programm etwas reduziert, zwei Parallel-Sessions wurden gestrichen. Dennoch sind wir vom Gehalt unseres Programms überzeugt, alle geplanten Keynotes wurden ja beibehalten.
Wie sieht es mit dem Rahmenprogramm aus? Bisher gab es ja immer auch eine Ausstellung, gemeinsame Pausensnacks und ein grosses Mittagessen für alle.
Wir sind uns bewusst, dass es auch hier Anpassungen braucht, doch lassen wir uns noch etwas Zeit mit den definitiven Entscheiden, je nach Entwicklung der Pandemie. Einige Aussteller werden sicher anwesend sein.
Werden Sie die sogenannten 3G-Regeln (geimpft, genesen, getestet) beim Einlass zum Kongress anwenden, bzw. wird nur hereingelassen, wer ein Zertifikat vorweisen kann?
Es wird in diese Richtung gehen, davon gehe ich aus. Aber auch hier gilt es noch etwas abzuwarten, wir werden auf jeden Fall die Regeln anwenden, die der Bundesrat dannzumal im November für solche Events festlegt.
Zum diesjährigen Kongressthema: Menschen mit Demenz im digitalen Zeitalter. Hat sich Ihr Blick aufs Thema im Lauf der vergangenen zwei Jahre verändert?
Das Thema Digitalisierung allgemein hat im Rahmen dieser Pandemie enorm an Bedeutung gewonnen, auch für Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen. Die Situation in den Alters- und Pflegeheimen führte dazu, dass digitale Medien wie Skype oder Zoom vermehrt genutzt wurden, um einen Kontakt irgendwie noch aufrecht zu erhalten. Dies nur als Beispiel.
8. ST.GALLER DEMENZKONGRESS
«Menschen mit Demenz im digitalen Zeitalter»
Der Umgang mit dem technisch Machbaren in der Pflege und Betreuung von Personen mit Demenz erfordert auch Antworten auf die folgenden Fragen: Was bedeutet Technik für wen? Wer schreibt der Technik welchen Sinn in welcher Situation zu? Wer akzeptiert sie wann? Wann und wie wirkt sie? Antworten auf diese Fragen möchte der 8. St.Galler Demenzkongress vermitteln, der am 17. November 2021 in den Olma-Hallen stattfindet.
Das Thema an sich ist aber nach wie vor hochaktuell und die Entwicklungen laufen weiter. Gerade bei Menschen mit Demenz treten der Nutzen und die Grenzen der digitalen Technologien deutlicher hervor als anderswo. Ob und wie diese Grenzen überwunden werden können, wird die Entwicklung der nächsten Jahre zeigen.
Deshalb scheint es mir sehr wichtig, und daran arbeiten wir auch, dass wir die Betroffenen hier mit einbeziehen. Damit meine ich die Erkrankten und deren Angehörige, aber auch die Pflegefachkräfte. Hier im Kompetenzzentrum Demenz geht es deshalb vor allem um die Suche nach praktischen Lösungen im hier und jetzt.
Neben den praktischen Aspekten betonen Sie im Programm ebenso die ethischen. Was können wir in dieser Hinsicht am Kongress erwarten?
Ich hoffe, dass die eingeladenen Referent:innen diesen Aspekt breit ausleuchten werden, die Pro und Kontras dieser Entwicklung präsentieren, und aufzeigen, wo man kritisch hingucken sollte. Dieser Diskurs ist ja bereits im Gang und wir möchten hierzu unseren Beitrag leisten.
Können Sie hier mit einem Beispiel etwas konkreter werden?
Nehmen wir das Beispiel der Ortungsgeräte. Diese tragen zwar zur Sicherheit aller Beteiligten bei, sind aber aus Datenschutz-Gründen auch sehr umstritten, da es sich hier um eine Art der Überwachung handelt.
Wie stehen Sie zu Pflegerobotern in pflegerischen Institutionen?
Aus heutiger Sicht können die eigentlich noch wenig, ich kann mir aber vorstellen, dass sie in Zukunft gewinnbringend eingesetzt werden können, zur Unterstützung der Pflegenden aber auch für Menschen mit Demenz, die vielleicht sogar gefallen daran finden.
Ich bezweifle aber, dass Roboter die zwischenmenschliche Interaktion je ersetzen können. Es geht wirklich darum, zu verstehen, wo es den Betroffenen tatsächlich etwas bringen kann und wo es schlicht unangemessen ist.
Ein Roboter wird nie einer Pflegefachperson die Arbeit wegnehmen, geschweige denn sie ersetzen können, davon bin ich überzeugt.
Ich frage Sie als Ausbildnerin: Wohin bewegt sich die Digitalisierung in der Pflege?
Digitalisierung, Robotik, sowie neue Kommunikations- und Sicherheitssysteme sind einige Aspekte, die bereits heute in die Ausbildung einfliessen, diese Themen sind in den Bachelor- und Masterstudiengängen sowie diversen Weiterbildungen weitgehend integriert.
Wir wollen unsere Student:innen befähigen, die sinnvolle Anwendung von Technologien zu beurteilen und deren Einsatz kritisch einzuschätzen, d.h. wir möchten einerseits die Technikkompetenz fördern und entwickeln, andererseits wollen wir die Technologie nutzen, um Lern- und Lehrsituationen zu gestalten.
Ein Beispiel dafür sind virtuelle Simulationen, die es den Studierenden erlauben, in die Lebenswelten von Menschen mit Demenz einzutauchen, damit sie eine Ahnung davon bekommen, was Betroffene erfahren und erleben.