Sarah Straub: Nach der Erkrankung ihrer Oma wurde Demenz zum Lebensthema.
Bild Thomas Melcher
Zu 50 Prozent arbeitet Sarah Straub als Forscherin und Psychologin am Universitätsklinikum in Ulm.
Bild Stefan Loeffler
Sarah Straub entstammt einer Musikerfamilie und spielt Piano, Saxophon und Klarinette.
Regelmässig tritt Sarah Straub mit ihrem Mentor Konstantin Wecker auf.
Bild Helmut Oelschlegel
Sarah Straub hat zwei Bücher geschrieben, im Winter 2024 folgt das dritte.
Bild Peter Neher
Sarah Straub tritt auch vor kleineren Gesellschaften auf – hier in Stuttgart für den Verein Vereinigte Hilfen.
Bild Martin Mühlegg
Niemand vermittelt Wissen und Bewusstsein zum Thema Demenz so charmant und erfolgreich wie Sarah Straub. demenzjournal begleitete das Multitalent an eine Konzertlesung nach Stuttgart.
Ein beliebter Familienvater und erfolgreicher Unternehmer verändert sich. Zunehmend irritiert und verärgert er seine Mitmenschen mit unpassenden Bemerkungen. Er vernachlässigt die Körperpflege. Er bedient sich aus den Tellern seiner Tischnachbarn, kommt zu spät zur Arbeit und entschuldigt sich nicht dafür. Er spricht nicht mehr mit seinen Kindern und schaut stattdessen Pornos. »Der Mann hat ein Burnout und braucht eine Pause«, sagt der Arzt.
Die Erholung bringt nichts – im Gegenteil, es wird immer schlimmer. Frau und Kinder verlassen ihn. Erst als klar wird, dass der noch nicht 50-jährige Mann nicht mehr für sich sorgen kann, wird er von Spezialisten untersucht. Sie diagnostizieren eine Frontotemporale Demenz (FTD). Frau und Kinder kehren zurück und kümmern sich um den Mann, den ja keine Schuld trifft für sein Verhalten.
Sarah Straub erzählt diese Geschichte am Hauptsitz der Landesbank Baden-Württemberg in Stuttgart. Der Verein Vereinigte Hilfen Stuttgart hat im Haus am Kleinen Schlossplatz zur Konzertlesung eingeladen. Das Publikum ist ergriffen. Da und dort schüttelt ein Schluchzen einen Körper, es wird getuschelt. Später spricht Straub über die Nonnenstudie und warum es so schwierig ist, ein Medikament gegen Demenz-Erkrankungen zu entwickeln.
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Straub liest an diesem Abend auch mehrmals aus ihrem Buch »Wie meine Großmutter ihr ICH verlor«. Die Frau, die ebenso selbstsicher wie charmant auftritt, ist vielseitig talentiert. Sie spielt Lieder, die sie selbst geschrieben hat – und Lieder ihres Freundes und Mentors Konstantin Wecker:
Man müsste noch mal fünf, sechs Jahre alt sein Und das vergessen, was danach geschehn Gleich hinterm Haus würde ein Zauberwald sein
Später erzählt Straub, wie vor zwei Tagen das Hochwasser ein Altersheim bedroht habe. Mitten in der Nacht habe sie dabei geholfen, die Bewohnerinnen und Bewohner zu evakuieren: »Stellen Sie sich das vor: Diese demenzkranken Menschen wussten nicht, warum sie so plötzlich ihr Zuhause verlassen mussten. Viele von ihnen hatten Angst.« Sie berichtet, wie sich eine der Bewohnerinnen während der Busfahrt an sie gekuschelt habe und sagt in ihrem »Augschburger« Dialekt mit rollendem R: »Ich hab’ noch nie was Gscheiteres gmacht im Leben.«
Es gibt viele Arten, wie man Wissen und Bewusstsein zum Thema Demenz unter die Leute bringen kann. Im deutschen Sprachraum macht es niemand so gut und erfolgreich wie Sarah Straub. Gut 80 öffentliche Auftritte werden es in diesem Jahr werden. Von ihrem Wohnort in der Nähe von Ulm reist sie nach Baden-Baden, nach Oldenburg, Erdmannhausen und Pfronten. Sie liest in Kursälen und in einer Limonadenfabrik, singt in Begegnungsstätten und referiert an Demenz Meets.
Hier spricht Sarah Straub über ihre Konzertlesungen
Niederschwellig sollen die Veranstaltungen sein. Dafür sorgt ein kurzweiliger Mix aus Musik, persönlichen Erlebnissen, Fallbeispielen und Grundlagenwissen. Auch der Eintrittspreis soll die Menschen nicht davon abhalten, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen: Die meisten von Straubs Konzertlesungen sind gratis. Für ihre (relativ bescheidene) Gage kommen jeweils Veranstalter und Spender auf.
Was treibt eine so vielseitig talentierte, junge und attraktive Frau dazu an, sich in diesem Ausmass für Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen zu engagieren? Straub war 20, als ihre Oma nach einem Sturz dement wurde und einige Monate später in einem Pflegeheim starb. »Ich habe einen grossen Teil meiner Jugend mit ihr verbracht. Ich habe sie innig geliebt. Es hat mir das Herz gebrochen, als ich ihr nicht helfen konnte. Ihr Unglück hing unter anderem damit zusammen, dass ich nicht wusste, wie man mit Menschen mit Demenz umgehen kann.«
In jener Zeit habe sie gemerkt, dass Demenz zum Lebensthema werde, sagt Straub. Die vorgezeichnete Karriere als Musikerin – ihr Vater Helmut ist Dirigent, sie selbst spielte schon mit acht Klavier, Saxofon und Klarinette – legte sie vorübergehend auf Eis und studierte Psychologie. Später spielte sie im Rahmen ihrer RED-Tour über 150 Konzerte. Als Support trat sie unter anderen für Lionel Richie, Spandau Ballet und Gentleman auf.
Demenzsprechstunde
»Niemand sollte mit einer Demenz allein bleiben«
Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen haben viele Fragen. Deshalb gibt es nun die Online-Sprechstunde »Frag nach Demenz«. weiterlesen
Mit der Arbeit »Die Einschätzung von Vertrauenswürdigkeit und der persönliche Raum bei der Verhaltensvariante der frontotemporalen Demenz« promovierte sie 2015 zur Doktorin der Humanbiologie. Jetzt forscht sie am Universitätsklinikum Ulm zu diesem Thema und leitet eine Sprechstunde für Menschen mit Frontotemporaler Demenz und ihre Angehörigen. Sie bietet Online-Sprechstunden an und arbeitet an ihrem neuen Buch, das im Winter erscheinen soll. Auch als Musikerin ist sie weiterhin engagiert. Gegen Ende der Konzertlesung in Stuttgart spielt Sarah Straub Konstantin Weckers Lied »Was keiner wagt«:
Was keiner wagt, das sollt ihr wagen. Was keiner sagt, das sagt heraus. Was keiner denkt, das wagt zu denken. Was keiner anfängt, das führt aus.
Wo alle loben, habt Bedenken. Wo alle spotten, spottet nicht. Wenn alle geizen, wagt zu schenken. Wo alles dunkel ist, macht Licht.
Jetzt verdrückt der Autor dieses Beitrags Tränen. Auch Günther Krämer, stellvertretender Vorsitzender der Vereinigten Hilfen Stuttgart, wird von Gefühlen übermannt. Er schluchzt seine Abschiedsworte zum Publikum mehr, als er sie spricht. Er sagt, dass er das, was ihn Sarah Straub heute gelehrt habe, vor Jahren hätte wissen müssen, als seine Mutter an Demenz erkrankt gewesen sei. Während ihn Sarah Straub mit einer Umarmung tröstet, sagt eine Frau in der dritten Reihe: »Des ist das Beschte, was i bis jedzd zu Demenz gehörd han.«
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