Zuletzt verliert der Mensch das Lächeln - demenzjournal.com

Zum Tod von Ruth Schweikert

Zuletzt verliert der Mensch das Lächeln

Alte Frau spielt mit Ballon. Sie hat eine Demenz.

»Die Frau, die ich gekannt hatte, meine Großmutter, war verschwunden; die Frau, die jetzt da war, musste ich erst wieder kennen lernen. Das tat weh«, schrieb Ruth Schweikert. Bild Véronique Hoegger

»Seit ich mich mit Alzheimer befasse, habe ich das Gefühl, ich könne nicht mehr richtig denken«, schreib Ruth Schweikert 2006. Zum Tod der Zürcher Schriftstellerin veröffentlichen wir ihren Beitrag zum Buch »Es schneit in meinem Kopf«, das von der Stiftung Sonnweid initiiert worden ist.

Von Ruth Schweikert

»Wenn Sie mit Pillen Ihre Konzentrationsfähigkeit, Ihre Kreativität und Ihr Gedächtnis verbessern könnten, würden Sie es tun? Oder stellen Sie sich vor, Sie brauchen nur noch vier Stunden Schlaf und sind die restlichen zwanzig Stunden topfit. Diese Pillen gibt es und auch einen Begriff dazu, neuronales Enhancement (Deutsch: Erweiterung), und sie werden natürlich auch eingesetzt — von denen, die Zugang dazu haben und skrupellos genug sind im Umgang mit sich selbst, weil sie einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil bieten.

Heutzutage soll ein Mensch doch immer glücklich sein, immer leistungsfähig, dazu potent bis fünfundneunzig.

Das Menschenbild hat sich gewandelt. Medikamente, die ursprünglich für Kranke entwickelt wurden, werden zunehmend von Gesunden verwendet, die Grenzen haben sich längst verwischt. Daran hat natürlich auch die Pharmaindustrie ein großes Interesse. Vom Standpunkt der Gesellschaft aus zählt nur, wer ihr von Nutzen ist; wer ihr zur Last fällt, wird schnell fallen gelassen. Ich bin überzeugt:

Wüssten wir, wann die drei letzten, statistisch gesehen teuersten Lebenswochen eines Menschen beginnen, wir würden zu diesem Zeitpunkt alle medizinische Versorgung kappen.

Dagegen würde die Pharmaindustrie wiederum Sturm laufen. In diesem Spannungsfeld bewegen wir uns täglich. Die Problematik zeigt sich gerade bei Alzheimerpatienten besonders drastisch, ist doch jede medizinische Maßnahme letztlich nur krankheitsverlängernd. So können Cholinesterasehernmer den Verlauf für ein bis zwei Jahre stoppen. Geheilt werden aber kann — bis heute — niemand.«

Die Sekretärin serviert Kaffee und Mineralwasser. Der Mann, der mir gegenübersitzt, ist Mitte fünfzig, Familienvater, Dozent und Leiter einer psychiatrischen Klinik — allein dies ein 60-Stunden-Job, mindestens. Dynamisch, belastbar, jovial; diese drei Adjektive würde ich ihm bedenkenlos als Gütesiegel verpassen, womit er ziemlich genau den Menschentyp verkörpert, den er zuvor mit spürbarer Besorgnis skizziert hat.

»Ich habe ein optimistisches Naturell«, sagt er fast entschuldigend, »sonst würde ich das hier gar nicht aushalten. Wir sind ständig überbelegt, müssen die Leute zu früh entlassen. Allein heute  Morgen hatten wir acht Notaufnahmen; es reicht ja, wenn einer seine Stelle verliert, schon bricht er zusammen.« 

Ruth Schweikert. Schriftstellerin. Es schneit in meinem Kopf.
Ruth Schweikert ist Anfang Juni im Alter von 57 Jahren gestorben.Bild PD

Ende des 19. Jahrhunderts, als die Klinik erbaut wurde, gab es noch keine Krankheit namens  Alzheimer — 1906 stellte Alois Alzheimer seine Untersuchungen vor, die er am Gehirn seiner früh verstorbenen dementen Patientin Auguste Deter vorgenommen  hatte —, und die Klinik lag außerhalb der Stadt, in der freien Natur, die die Kranken beruhigen und die Bevölkerung vor ihrem Anblick schützen sollte, vor dem doppelten Spiegel, in den  man als einigermaßen Gesunder im sogenannt besten Alter blickt, wenn man alten oder kranken Menschen gegenübertritt.  

»Du bist dort, wo ich einst war«, lese ich in den müden Augen der Alzheimerpatientin, die mit fahrigen Strichen die schematisierten Blätter eines vorgedruckten Baums ausmalt, »und ich bin da angekommen, wo du dereinst stranden wirst, im Niemandsland zwischen Leben und Sterben.« Ausdrücken kann sie sich nur noch mit einzelnen Wörtern, grün, grau, Baum, ja, nein.

Wenn die Ergotherapie für heute vorbei ist, wird man die vollgekritzelten Blätter wohl zum Altpapier legen; die kaum siebzigjährige Frau wird ihre Zeichnung nicht vermissen.

Sie wird morgen nicht nur vergessen haben, was sie heute gemalt hat, sie wird vergessen haben, dass sie überhaupt etwas gemalt hat, dass sie in diesem freundlichen hellen Raum gesessen und mit einer Fremden gesprochen hat, die einen Text über ihre Krankheit schreibt. Das hat man ihr brav ausgerichtet, damit der Form Genüge getan ist, auch wenn wir alle wissen, dass diese Information hinfällig ist. Das Kurzzeitgedächtnis ist die erste Hirnfunktion, die ausfällt; im Hippocampus beginnt verborgen, was, wenn es offensichtlich wird, (bis heute) unumkehrbar fortschreitet: die Zerstörung des Gehirns bei Morbus Alzheimer.

Beitrag zur Demenz-Anthologie »Es schneit in meinem Kopf«

Ruth Schweikert wurde 1965 in Lörrach geboren und ist in der Schweiz aufgewachsen. 1994 debütierte sie mit dem Erzählungsband »Erdnüsse. Totschlagen«. Es folgten die Romane »Augen zu« (1998), »Ohio« (2005) und »Wie wir älter werden« (2015). 2019 erschien die literarische Recherche »Tage wie Hunde«, in der sich Ruth Schweikert mit ihrer eigenen Brustkrebserkrankung auseinandersetzte. Sie starb am 4. Juni 2023 in Zürich.

2006 schrieb Ruth Schweikert auf Anregung der Stiftung Sonnweid und des Verlages Nagel & Kimche den hier veröffentlichten Beitrag mit dem Originaltitel »Gesten der Umarmung«. Er erschien in der Anthologie »Es schneit in meinem Kopf«; Herausgeberin des mittlerweile vergriffenen Buches war Klara Obermüller.

»Meine Großmutter hat bis drei Tage vor ihrem Tod zu Hause gewohnt. Sie war neunzig, als sie starb, und brachte keinen richtigen Satz mehr zustande. Oft ließ sie die Herdplatten angedreht, einmal brannte die halbe Wohnung aus deswegen. Bunte Plastikschüsseln, die sie auf die Platten gestellt hatte, schmolzen und hingen dann wie eigenartige Skulpturen am Herd herunter.

Der geschmolzene Plastik hatte tatsächlich etwas von einem Kunstwerk.

Da fällt mir ein amerikanischer Künstler ein, abstrakter Expressionist, der dank Alzheimer, zumindest für eine gewisse Zeit, zu seiner Schaffenskraft zurückfand, nachdem er sich als Gesunder darüber beklagt hatte, seine Art zu arbeiten sei fast zu sehr eine Gewohnheit geworden. Im frühen Stadium wird das Bewusstsein sogar geschärft, weil jede Erfahrung neu ist, indem man sich nicht an gleiche oder ähnliche Erfahrungen erinnert. Neue Erfahrungen aber schärfen das Bewusstsein, sie lassen einen die Dinge intensiver erleben.

Seine Bilder wurden heller, lichter, fröhlicher, aber auch unvorhersehbarer, überraschender, als hätte er bestimmte kognitive Fesseln abgelegt, die der künstlerischen Geste im Weg standen — tatsächlich bleibt das motorische Gedächtnis sehr lange erhalten —, wobei die Kunstkritik sich naturgemäß schwertat, die Bilder eines Mannes, der an keinem Gespräch mehr teilnehmen konnte, der sich mittags nicht mehr daran erinnerte, was er morgens gegessen hatte, noch als Kunstwerke zu betrachten. Wo war das handelnde, entscheidungsfähige Subjekt, der Künstler als Seismograph der Gesellschaft geblieben?

Doch zurück zu meiner Großmutter: Der geschmolzene Plastik hat furchtbar gestunken, ich habe den Geruch noch heute in der Nase.

Wir alle — meine Mutter, meine Schwester und ich — waren oft am Ende mit unseren Nerven und Kräften, und dennoch, ich möchte diese Erfahrung nicht missen.

Was ist der Mensch, wenn alles Menschliche wegbricht?»

Robert lacht, als ich ihm spätabends am Telefon von meinem Gespräch mit dem Klinikdirektor erzähle. »So ein Unsinn! Niemals kann in einem Menschen alles Menschliche wegbrechen. Das wäre grotesk; das Menschliche ist ja eben gerade das Vergängliche.«

»Vergiss mich nicht«, hatte er vor zehn Tagen gesagt und sogleich den Erinnerungszwang beschworen, dem Liebende so bereitwillig erliegen, »alle Gesten haben ihre Schatten«, sagte er, »den Blick, mit dem du mich ansiehst, werde ich in mir tragen, allerdings wird er sich verwandeln, nichts anderes besagt das Wort erinnern, was jetzt von außen auf mich fällt, wird morgen in mir drinnen sein.«

»Vielleicht ticken in unseren Köpfen schon die Zeitbomben«, werfe ich ein,  »zwanzig, dreißig Jahre, bevor Alzheimer manifest wird, lagert sich das Beta-Amyloid, ein Abfallprodukt des APP — komplexes Eiweißmolekül —, das aus noch ungeklärten Gründen nicht mehr in lösliche Teile gespalten wird, wie es bei Gesunden der Fall ist, zwischen den Nervenzellen ab und verklumpt dort zu Plaques, die die Kommunikation zwischen den Zellen verhindern, wenn ich das richtig verstanden habe. Sowieso, seit ich mich mit Alzheimer befasse, habe ich das Gefühl, ich könne nicht mehr richtig denken.«

»Und vielleicht, wer weiß«, gibt Robert zurück, »sind wir in zwanzig, dreißig Jahren froh, wenn wir uns nicht mehr an unsere Liebe erinnern. Stell dir vor, wir würden uns jeden Tag neu begegnen, neu verlieben, als wüssten wir nichts voneinander, eine perpetuierte Amour fou, ohne Zukunft, ohne Vergangenheit, wäre das nicht schön?«                        

»Entsetzlich«, protestiere ich lahm.

»Verhüllt oder enthüllt dieses Wegbrechen den Menschen«, frage ich den Klinikdirektor am nächsten Tag, »oder sind das untaugliche Kategorien, um die Veränderungen zu beschreiben, die mit einem Alzheimerpatienten geschehen?«                        

»Die Frau, die ich gekannt hatte, meine Großmutter, war verschwunden; die Frau, die jetzt da war, musste ich erst wieder kennen lernen. Das tat weh. Bevor sie praktisch verstummte, gab sie Dinge preis, traumatische Erlebnisse aus den beiden Kriegen zum Beispiel, die sie dreißig oder sechzig Jahre lang für sich behalten hatte. Mehr als einmal hat sie mich am Morgen mit dem Hitlergruß empfangen, das war schon gespenstisch. Das war Anfang der siebziger Jahre, ich war Medizinstudent damals.

Ich will nicht verhehlen, dass ich dabei auch ein eigentümliches Gefühl von Macht verspürte, gepaart mit einer voyeuristischen Lust.

Ich betrachtete und erlebte eine alte Frau, meine Großmutter,  die mich nicht mehr betrachten konnte, weil ihr das begriffliche Instrumentarium dazu abhanden gekommen war, mit dem wir unsere Sinneswahrnehmungen benennen und damit auch bannen. Sie war dem, was sie mit ihren tadellos funktionierenden Augen sah, hilflos ausgeliefert. Nicht mal sich selbst erkannte sie noch im Spiegel. Sie hatte keinen Zugang mehr zu meiner Welt, ich hätte ihr weiß Gott was erzählen können, wer ich bin und wo ich war. Andererseits konnte man ihr auf einer tieferen  Wahrnehmungsebene nichts vorspielen; auf unterschwellige Aggression reagierte sie mit Abwehr und manchmal einem markerschütternden Schreien.

Das ist etwas, das ich auch bei unseren Patientinnen und Patienten beobachte: Die emotionale Substanz einer Ehe, einer Mutter-Sohn-Beziehung und so weiter tritt unverstellt zutage, Konventionen wie Höflichkeit, soziale Errungenschaften wie Rücksichtnahme oder Triebkontrolle fallen aus; was bleibt bis zum Schluss, sind Emotionen. Diese Menschen kennen und anerkennen nur noch ihre eigene Wahrnehmung, die ihre einzige Wahrheit ist. Wenn jemand glaubt, es ist Sommer, dann ist es Sommer, auch wenn es draußen schneit. Man könnte also tatsächlich sagen, der wahre Charakter enthüllt sich, was gleichzeitig absurd ist, weil man sich selbst ja Stück für Stück verliert.»    

»Beinahe ein paradiesischer Zustand … Wie oft sehnen wir uns danach, uns selber zu vergessen, die Kontrolle zu verlieren, in der Ekstase der Liebe, im Alkoholrausch —«

»Im Endstadium ja, wenn Sie so wollen, da gibt es keine Erkenntnis mehr der eigenen Nacktheit, kein Erkennen von Gut und Böse, wahrscheinlich auch keine Einsicht mehr in die eigene Sterblichkeit, aber der Weg dorthin führt durch die Hölle. Die Patienten nehmen sehr wohl wahr, dass ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten nachlassen. Die Diagnose Alzheimer bedeutet ja: angekündigtes Sterben auf Raten.

In diesem Sinne holt Alzheimer gewissermaßen das Unsichtbare ans Licht, das, was der Körper normalerweise verbirgt. Die Krankheit öffnet ein Zeitfenster, durch das man die Verfallsprozesse mitverfolgen kann, die meistens innerhalb von wenigen Minuten ablaufen, wenn jemand zum Beispiel an einem Herzinfarkt stirbt oder an einer schweren Infektion, auch da werden die Hirnzellen nicht mehr versorgt und sterben ab. Bei Alzheimerkranken hingegen sieht man dem Sterben zu; man sieht, wie das Individuum langsam verschwindet, wie eine Fähigkeit nach der anderen wegfällt, bis ganz zum Schluss auch die primitivsten Hirnfunktionen ausfallen, die nicht dem Willen unterliegen, wie verdauen und atmen.

Die Schriftstellerin Birgit Rabisch schreibt für demenzjournal ein Logbuch

Birgit Rabisch und Bernd Martens auf ihrem Jollenkreuzer.

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Der Schriftsteller Bernd Martens ist vergesslich geworden. Nun führen er und seine Ehefrau Birgit Rabisch eine Dreiecksbeziehung mit Monsieur Alzheimer. demenzjournal veröffentlicht nun … weiterlesen

Ich glaube, das stand am Anfang meiner Entscheidung, mich als Forscher mit Alzheimer zu beschäftigen: Es war eher eine Neugier als der Wunsch, die Krankheit zu heilen — ich war jung —, als wolle diese Krankheit mich lehren, was den Menschen ausmacht. Er entsteht, wird geboren, entwickelt sich, denkt, fühlt, macht etwas, hinterlässt seine Spuren und geht.

Ein Mensch, der — während durchschnittlich acht Jahren — an Alzheimer stirbt, geht noch einmal den Weg, den er als Kind gegangen ist, nur rückwärts.

Jahr für Jahr verschwindet aus seiner Erinnerung. Das Letzte, was er verliert, ist das Lächeln — der erste große postnatale Entwicklungsschritt, den die Eltern eines Neugeborenen sehnsüchtig erwarten.«

Es ist Abend geworden, die Sekretärin ist nach Hause gegangen; wir spazieren über das Gelände. Längst sitzt die Klinikanlage wie eine Enklave in der großstädtischen Agglomeration, eingefasst von Hauptverkehrsachsen, Blocksiedlungen und Müllverbrennungsanlagen. Die Tümpel wurden trockengelegt und die Wasservögel verbannt. Der Angst vor der Vogelgrippe lässt sich immerhin mit geeigneten Maßnahmen beikommen.

Die Abteilung für Patientinnen und Patienten mit Demenz ist mit großzügigen Wintergärten bestückt, Glasfassaden, durch die man auf mächtige Bäume blickt; im Sommer kann man draußen grillen, und ich ertappe mich beim Gedanken, dass einige der Insassen (darf man das Wort noch verwenden?, Gefangene sind sie, wenn auch nur zu ihrem eigenen Schutz) wohl nie in ihrem früheren Leben so idyllisch gewohnt haben.    

»Wie geht es Ihnen«, fragt der Direktor einen gut angezogenen älteren Herrn, der vor dem Hauseingang steht und eine Zigarette raucht.  »Gut«, sagt er.  »So wie immer.«    

»Kein Laie würde auf die Idee kommen, dass dieser Mann an Alzheimer im Endstadium leidet«, sagt der Direktor später, »tatsächlich aber zeigt das Röntgenbild, dass sein Gehirn praktisch nur noch aus Löchern besteht. Das ist jemand, der immer in seinem Leben Haltung bewahrt hat und es irgendwie schafft, das durchzuziehen. Er hat seine zehn Sätze, ja, nein, es geht, danke und Ihnen. Sie kennen das ja. Nie klagt er, nie gibt er zu erkennen, dass er einem Gedankengang nicht mehr folgen kann.«   

»Haben Sie Angst, selber an Alzheimer zu erkranken? Oder, anders gefragt, haben Sie je erwogen, einen Gentest zu machen, der ja, in gewissen Fällen, die spätere Erkrankung mit absoluter Sicherheit prognostiziert?«

Der Direktor zögert: »Solange wir keine wirksame Therapie haben, bin ich strikt gegen Gentests. In fünf bis zehn Jahren allerdings werden wir über Impfungen verfügen, die das Beta-Amyloid auflösen oder seine Bildung gar verhindern. Das funktioniert bei transgenen Mäusen bereits sehr gut. Die Frage ist natürlich, wie immer: Was fangen wir mit diesen Impfungen an? Sollen wir alle potenziell gefährdeten Leute ab vierzig impfen, und wer bezahlt das?

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Nein, es sind andere Dinge, die mir Angst machen: Können wir überhaupt noch mit sogenannten Defiziten umgehen, als Individuen und als Gesellschaft? Bei Alzheimerpatienten findet ja, ich habe mehrfach darüber gesprochen, eine allgemeine Entdifferenzierung statt; das heißt, die Patienten verlieren ihre Individualität; sie gleichen sich immer mehr einander an. Manchmal, wenn ich meine Runde durch die Häuser  mache, denke ich, gerade darin sind sie ein exaktes Abbild der Gesellschaft. Wir sind ähnlich entdifferenziert, nur auf höherem Niveau.«

Wir verabschieden uns. »Bist du jetzt klüger«, empfängt mich Robert, kaum habe ich die Wohnung betreten. »Lass uns die Gesten der Umarmung einüben«, sage ich leise und lege den Mantel ab.


Das Copyright für diesen Text liegt bei Nagel und Kimche in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg. Wir bedanken uns bei der Verlagsgruppe für die Erlaubnis, diesen Text auf der Plattform demenzjournal zu veröffentlichen.