Ein schöner Moment der Zweisamkeit – leider konnte Peggy Elfmann diese nicht so oft geniessen, weil sie ihre Mutter nur alle zwei Wochen besuchen konnte.
Bild Peggy Elfmann
Heute schreibt Peggy Elfmann an ein Gefühl, von dem sie sich verabschieden will. Das schlechte Gewissen plagte sie immer wieder, weil sie für ihre Eltern nicht so viel machen konnte, wie sie sich vorgenommen hatte.
Ich schreibe normalerweise an dieser Stelle Briefe an meine Mama, aber dieses Mal geht es um mein schlechtes Gewissen. Es begleitet mich schon lange und taucht auch verlässlich auf, wenn es um meine Mama geht. So oft habe ich das Gefühl, dass ich mich nicht genug kümmere und das, was ich tue, nicht gut genug mache. Es ist Zeit, dieses schlechte Gewissen und die Schuldgefühle loszulassen, denn sie helfen weder mir noch Mama.
Ich weiß nicht, wann du das erste Mal aufgetaucht bist, liebes schlechtes Gewissen. Du begleitest mich schon sehr viele Jahre – und du machst mir das Leben manchmal ganz schön schwer. In den vergangenen Jahren warst du sehr hartnäckig, auch im Bezug auf das Kümmern und Pflegen von Mama. Egal, was und wieviel ich tue, du bist auch da.
Egal, wo ich bin, du begleitest mich.
Wenn ich in München bin, habe ich ein schlechtes Gewissen, weil ich nicht für Mama da bin und Papa nicht helfen kann. Klar, ich kümmere mich um Termine bei den Ärzten, recherchiere Unterstützungsangebote und stehe bei Anrufen sofort parat. Und doch bin ich nicht da – und das macht mich manchmal ganz schön unzufrieden.
Post für dich
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Doch selbst, wenn ich bei meinen Eltern bin, wenn ich mir besonders viel Zeit nehme, bist du immer immer noch da. Wenn ich Zeit mit Mama verbringe und Papa mit dem Pflegen und im Haushalt helfe, dann sitzt du ebenfalls auf meiner Schulter und flüsterst mir ins Ohr, dass es nicht genügt, was ich mache. Dass ich keine gute Tochter bin und mich doch mal mehr anstrengen sollte. Wie kann das sein, dass du mich immerzu begleitest?
Man würde meinen, dass du in solchen Momenten wenigstens mal verstummst.
In der neuen Podcastfolge von »Leben, Lieben, Pflegen« haben Anja und ich über Schuldgefühle und das schlechte Gewissen geredet. Ich habe gemerkt, dass ich nicht alleine bin mit dir. Anja hat erzählt, dass viele Angehörige in den Angehörigengruppen und Coachings davon berichten. Und auch sie selbst kennt dieses Gefühl aus der Zeit, als sie ihre an Demenz erkrankte Mutter pflegte. »Ich hatte das Gefühl, nicht zu genügen, obwohl ich auch von außen immer wieder gespiegelt bekommen habe, dass das ganz großartig ist, was ich für meine Mutter leiste und wie ich für sie da bin«, erzählt Anja im Podcast.
Quelle Podcast Leben. Lieben. Pflegen. aus Spotify
Liebes schlechtes Gewissen, es gab eine Zeit, da habe ich versucht, dich zu beruhigen, indem ich häufiger zu meinen Eltern gefahren bin. Ich wollte für Mama da sein, wusch ihr die Haare, schnitt die Nägel, half beim Essen, kümmerte mich um die Wäsche, putzte das Bad … Vielleicht wollte ich mit all diesen Tätigkeiten nicht nur helfen, sondern dich vertreiben.
Doch egal, wie viel ich gemacht habe, du warst immer noch da. Und ich war am Ende solch eines Wochenendes total erschöpft, weil ich mir keine einzige Pause genommen hatte. Ich kam von einer Care-Situation in die nächste, ohne auf meine Energiereserven zu achten (und die haben manchmal sehr gelitten.)
Anja und ich haben uns im Podcast darüber unterhalten, woher diese Gefühle und das schlechte Gewissen kommen. Oft tun sie es, weil Erwartungen nicht erfüllt werden. Das können Erwartungen von anderen sein, aber auch eigene Erwartungen.
Liebes schlechtes Gewissen, wenn ich dich genau anschaue, dann sehe ich, dass es nicht unbedingt die Erwartungen meiner Eltern sind. Manchmal spreche ich mit Papa darüber und sage ihm, dass es mir leid tut, dass ich nicht häufiger da bin und mehr helfen kann. Er macht mir kein schlechtes Gewissen, denn er sagt so etwas wie: »Ich möchte dich nicht belasten und bin dankbar für all das, was du tust. Ich weiß das sehr zu schätzen.«
Liebes schlechtes Gewissen, du kommst vor allem aus mir. Du fußt auf meinen eigenen Ansprüchen an mich als gute Tochter.
Es hat eine Weile gedauert, zu verstehen, dass ich diese Ansprüche, die ich da an mich stelle, gar nicht erfüllen kann. Dass sie viel zu hoch sind. Unerreichbar. Ich merke, dass mir diese hohen Erwartungen nicht guttun, denn sie bringen dich immer wieder zum Vorschein.
Du raubst mir Kraft und du verdirbst immer wieder meine gute Laune. Du sorgst dafür, dass ich unzufrieden bin, sogar wenn ich mein Bestes gebe. Es hat ein wenig gedauert, aber ich habe verstanden, egal, wie viel ich mache, Mama wird immer mit der Demenz leben und die Krankheit wird voranschreiten. Wir können sie nicht aufhalten. Das muss ich aktzeptieren.
Du sorgst auch dafür, dass ich manchmal fast vergesse, was wirklich wichtig ist und worauf es ankommt: Zeit mit Mama zu verbringen. Und das ist wirklich nicht gut. Ich brauche meine Energie und möchte sie dafür ausgeben, was mir wichtig ist, für die lieben Menschen in meinem Leben und nicht für den Kampf gegen dich.
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Lange Zeit dachte ich, der Alzheimer wäre nur Mamas Krankheit. Ich wollte die starke Tochter sein, die alles managt und für alle immer da ist. Ich habe mir immer viel mehr vorgenommen, als ich tatsächlich machen kann.
Und jetzt ist es an der Zeit, dass du gehst, liebes schlechtes Gewissen! Ich weiß, du wolltest mich vielleicht auch nur schützen und mir helfen, indem du mich anspornst. Aber ich glaube, ich bin besser dran ohne dich. Ich gebe mein Bestes, das weiß ich. Ich lade das Selbstmitgefühl ein und möchte dich gerne verabschieden. Auf Nimmerwiedersehen!
Deine Peggy
Dieser Beitrag erschien am 13. September 2023 auf Peggy Elfmanns Blog Alzheimer und wir. Wir bedanken uns herzlich, dass sie uns in vertrauensvoller Weise diese sehr persönlichen Texte und Fotos zur Verfügung stellt. Peggys Mutter ist im Januar 2024 leider verstorben.
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