Ich ließ mich von deiner optimistischen Sicht anstecken und wir brachen auch im Sommer 2015 zu einem Segeltörn auf. Und du behieltest Recht: unterwegs keine Sehstörungen und schon gar kein Schlaganfall. Ich bemerkte aber zunehmend irritiert, dass vieles nicht mehr so klappte wie gewohnt.
Während du früher nach einem kurzen Blick in den Tidenkalender unseren nächsten Tagestörn geplant hattest, hocktest du jetzt stundenlang über dem kleinen blauen Buch mit den Hoch- und Niedrigwasserzeiten aller Häfen entlang der Elbe und stelltest auf immer neuen Zetteln wilde Berechnungen an, nur um sie kurz darauf zu verwerfen und erneut in den Tidenkalender zu gucken.
Und plötzlich wusstest du, der seit Kinderzeiten segelt, nicht mehr, wie man die Fockschot am Mast festmacht. Und im alten Hafen von Brunsbüttel, in den wir auf fast jedem Törn eingelaufen sind, musste ich dir sagen, wo die Sanitärgebäude sind. Langsam wurde mir klar: Wir sollten einen Termin für dich in der Gedächtnisambulanz der Uniklinik machen. Und: Ende der Segelei. Wir müssen unser Boot verkaufen. Doch wie sollte ich dich dazu bewegen? Du ohne Boot? Das wäre wie eine Amputation. Das war unvorstellbar.
31. Januar 2020
Du bist ein Finkenwerder Jung geblieben, auch wenn du inzwischen ein alter Eimsbütteler (Stadtteil von Hamburg) geworden bist. Aufgewachsen bist du auf Finkenwerder, wo einst die größte Fischfangflotte des deutschen Reiches beheimatet war. Dein Urgroßvater war Flussfischer, dein Großvater Seefischer. Ihm gehörte zusammen mit einem Macker (im Finkenwerder Platt der Miteigentümer eines Fischkutters) der Kutter H.F.299, auf dem auch dein Vater Johnny später mitfuhr.