Erste Liebe - demenzjournal.com
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Erste Liebe

Rosemarie van der Meer in einem Seniorenheim im brandenburgischen Belzig

Rosemarie van der Meer mit ihrem Kaninchen. Bild Michael Hagedorn

Heute erzählt uns Michael Hagedorn die Geschichte von Rosemarie, die 60 Jahre nach Kriegsende endlich das Lieben lernte.

Sind wir bereit, Menschen mit Demenz in ihre neue Lebenswelt zu begleiten, durch neu sich öffnende Türen zu gehen und dafür Altes, oft Belastendes über Bord zu werfen? Ich erlebe in meinen Begegnungen mit Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen viele Momente, in denen großes Potenzial für eine neue Qualität des Miteinanders, buchstäblich Heilung liegt, gerade zwischen den Generationen.

Ich traf Rosemarie van der Meer in einem Seniorenheim im brandenburgischen Belzig. Sie stellte mir umgehend ihr so sehr geliebtes Kaninchen vor, um das sie sich mit großer Fürsorge und Freude kümmerte. Aus den Gesprächen mit ihr und dem Pflegepersonal wurde mir bald klar, dass sie wie viele ihrer Generation offensichtlich traumatisiert und abgehärtet ist von Krieg und Überlebenskampf. In dieser Liebe zu ihrem Kaninchen konnte sie vielleicht zum ersten Mal überhaupt oder nach sehr langer Zeit wieder den Gefühlen von Fürsorge für ein Lebewesen Ausdruck verleihen. Wahrscheinlich hatte ihr die Demenz die Tür dazu geöffnet.

Achselzuckend und mit etwas Bedauern in der Stimme erzählte die uns begleitende Pflegekraft, dass der Sohn, wenn er zu Besuch käme, traurig und eifersüchtig sei auf das kleine Tier. Im Unterschied zum ihm darf es die Liebe seiner Mutter uneingeschränkt genießen. Die veränderte Lebenssituation durch die Demenz der Mutter, die weich und berührbar geworden war, hat eine Tür weit geöffnet, die dazu einlädt, durchschritten zu werden. Wäre es nicht für beide wunderschön und heilend, wenn der Sohn dies erkannte und hindurch ginge?