Worum geht es wohl dem Nachbar, der sich weigert, ein Hörgerät zu tragen? Vermutlich will er nicht zu den Hörbehinderten gehören, jedenfalls nicht sichtbar. Ich kann mich gut erinnern, dass auch ich mich am Anfang schwer tat, mich sogar schämte für das Hörgerät. Anders als die Brille schien mir das Hörgerät ein Zeichen von Alter. Wollte ich nicht zu meinem Alter stehen?
Das Hörgerät erwies sich jedoch bald als nützlich. In den verschiedenen Kursräumen mit zum Teil schlechter Akustik verstand ich bei der Namensrunde jeden Namen auf Anhieb, konnte Fragen sofort beantworten, da ich sie beim ersten Mal verstanden hatte. Und das Allerbeste: Mein Gehör verbesserte sich dank dem Gerät.
So wie ein Muskel durch gezieltes Training gestärkt werden kann, trainierte das Hörgerät mein Gehör.
Ich will kein Smartphone, aber aufs Tablet habe ich mich eingelassen, anders als mein Nachbar, der nicht nur das Hörgerät, sondern auch das Tablet verweigert. Mit zittrigen Fingern drückt er die kleinen Tasten seines Smartphones, vertippt sich laufend, liest auf dem Gerät, das er sich dazu dicht vor die Augen halten muss. Unmöglich.
Kauf dir ein Tablet, sage ich, aber er will nicht. Geld kann nicht der Grund sein, es muss etwas Irrationales sein, so wie bei mir mit dem Smartphone. Ich will nicht. Er will nicht. Geht es darum, selbst zu entscheiden? Nicht voll und ganz abhängig zu sein, von dem, was uns vorgegeben wird? Oder hat es mit der eigenen Geschichte zu tun?
Ich wuchs in einer Haushaltung ohne Fernseher und Telefon auf. Ein Telefon gab es im Geschäft meiner Eltern, da brauchte es zu Hause nicht auch noch eines.
Es geht ja auch ohne Fernseher, war ein beliebter Ausspruch meiner Eltern.
Mein Vater liebäugelte zwar mit einem Fernseher, konnte sich aber nicht für ein Modell entscheiden. Schliesslich war die Ausgabe hoch, sie musste
wohl überlegt sein. Und irgendwann würden die Geräte billiger, so hoffte mein Vater.
Die Jahre vergingen, ein Entscheid war noch nicht gefällt, da kamen die ersten Farbfernseher auf den Markt. Die gefielen meinem Vater noch besser als die Schwarzweiss-Geräte, doch sie waren auch teurer. Und so begann erneut das Warten, bis die Geräte günstiger würden. Mein Vater verstarb, bevor er sich – und uns – einen Fernseher kaufte.