Computer und so - demenzjournal.com

Modernes Wissen

Computer und so

Frau mit Tablet auf dem Sofa. Alte Frau und Verwendung des Computers.

«Wunderbar, dass ich in Florenz oder Hamburg ein Buch aus der Zürcher Pestalozzibibliothek herunterladen und lesen kann.» Bild unsplash

Wie gut muss man sich mit Computern auskennen, um ernst genommen zu werden? Kann man leben ohne WhatsApp? Diese Fragen stellt sich unsere 75-jährige Autorin und entdeckt dabei, dass auch sie sich dank ihrer Computerkenntnisse gern überlegen fühlt.

Wir sitzen am See in der frühlingshaften Wärme. Ich habe nicht viel zu erzählen, sie aber schon. Wie das jetzt läuft am neuen Job, dass sie sich wohlfühlt im Team und schon einiges bewirken konnte. Täglich postet sie etwas auf Instagram und Facebook, und natürlich hat sie die kleine Firma sofort auf Linkedin untergebracht, vielleicht auch noch an anderen Orten, an die ich mich nicht erinnere.

Schau mal, sagt sie, und zeigt mir auf ihrem Smartphone ein Bild, das sie auf Instagram gepostet hat, das gegen 1000 likes generiert hat, verrückt, nicht? Auf dem Bild stehen zwei Menschen unter einem noch kahlen Baum. Du kannst es dir ansehen auf Insta, sagt sie.

Ich gehe nicht auf Insta, sage ich. Facebook, fragt sie, Linkedin? Ich schüttle den Kopf. Erstaunt schaut sie mich an, schluckt, ok, ich schick es dir per WhatsApp. Ich bin auch nicht auf WhatsApp, sage ich. Ihr Erstaunen wird grösser. Echt jetzt? Echt jetzt. Aber, sie zögert, aber den Computer nutzt du schon, oder?

demenzwiki

Information

Auf demenzwiki findest du Informationen und Tipps für Betroffene, Angehörige und Pflegende. Auch Bücher und Filme vermitteln Wissen über die Krankheit. weiterlesen

Ich nutze den Computer, klar, aber dass ich noch immer ein Tastenhandy benutze und damit nicht ins Internet gehe, sage ich ihr nicht. Auch nicht, dass posten für mich als Zürcherin immer noch ganz handfest einkaufen bedeutet, denn gepostet in ihrem Sinn habe ich noch nie etwas.

Ich nutze den Computer zum Schreiben, kann mir, ehrlich gesagt, gar nicht mehr vorstellen, mit einer Schreibmaschine zu schreiben, so wie früher. Ich schätze die Korrekturmöglichkeiten, und dass ich einen Text so einfach verändern und verschicken kann.

Natürlich gehe auch ich ins Netz, allerdings mit Duckduckgo und nicht mit Google. Sogar eine eigene Webseite habe ich.

Im Gegensatz zu einer älteren Freundin kenne ich den Unterschied zwischen Browser und Provider, fühle mich dieser Freundin deshalb etwas überlegen.

Vielleicht so, wie sich meine jüngere Freundin mir gegenüber fühlt … Mails sind mir wichtig geworden, um Kontakte zu halten oder Kurse zu organisieren. Aber den diversen Kontaktkanälen habe ich mich von Anfang an verweigert. Ich war noch nie auf Facebook und Co, habe noch nie einen Daumen angeklickt.

Digitale Demenz

Fragen Sie Ihren Arzt oder Informatiker

Das Handy ist für viele zur natürlichen Verlängerung des Arms geworden. Alltag ohne Internet? Kaum auszudenken! Doch die «Risiken und Nebenwirkungen» der Digitalisierung … weiterlesen

Hingegen lerne ich immer wieder, wie ich den Computer sinnvoller nutzen kann, entweder weil ich in einem Artikel einen Tipp finde, oder dem Supporter über die Schultern blicke. Zuschauend lerne ich, übernehme die eine oder andere Vorgehensweise. So geht es wirklich einfacher, denke ich dann, ohne Umwege komme ich zum Ziel.

Am wichtigsten ist mir mein Tablet, darauf lese ich Zeitungen und Bücher aus der Bibliothek. Wunderbar, dass ich in Florenz oder Hamburg ein Buch aus der Zürcher Pestalozzibibliothek herunterladen und lesen kann. Manchmal mache ich ein Puzzle auf dem Tablet, morgens hilft mir Wordle in den Tag hinein.

Da muss ich in sechs Schritten das richtige Wort finden, das macht mir Spass, besonders wenn die Rückmeldung lautet Sehr gut! oder gar genial. Mehr will ich nicht. Schon die Menge an Mails überfordert mich manchmal, was soll ich da mit einem Bild auf Instagram, das mir nichts sagt?

Ich meine, ich gehöre zu den Alten, die sich gut mit Computern auskennen und sich locker im Netz bewegen. Nebst posten habe ich viele weitere Computerwörter gelernt, Wörter, die in meinen Alltag einfliessen. So speichere ich mittlerweile nicht nur Daten auf dem Computer, sondern auch Erinnerungen in meinem Kopf.

Promenz

Mut zur Lücke

Muss man Angst haben vor Demenz? Nein, sagt Beatrix Gulyn. Für sie ist die Vergesslichkeit eine neue Lebensphase. Gemeinsam mit der Selbsthilfegruppe «Promenz» … weiterlesen

Meine Lebensgefährtin ist einige Jahre jünger als ich. Letzthin besuchte sie einen Infoabend, bei dem es darum ging, sich möglichst von Google zu lösen. Dieser Techgigant sammelt Daten über Nutzerinnen und Nutzer. Was er alles damit anstellt will ich mir lieber nicht vorstellen.

Sie sei die Älteste gewesen an diesem Abend, erzählte meine Gefährtin, zuerst sei sie gar gesiezt worden. Die anderen Teilnehmer:innen seien auf sie aufmerksam geworden, als sie erzählte, dass sie keinerlei Informationen in der Wolke, der Cloud, versorge, weder Fotos noch Texte noch Adressen. Später, als es um WhatsApp gegangen sei – auch das ein Datensammler – habe sie gesagt, da sei sie nicht dabei.

Zwei Frauen hätten sie ungläubig angeschaut und nachgefragt: Wie sie das denn mache? Ich sage einfach nein, habe meine Gefährtin geantwortet, und danach gehört, wie die beiden Frauen miteinander tuschelten.

demenzwiki

Digitale Helfer

Technik kann den Alltag von Menschen mit Demenz leichter und sicherer machen. GPS, Tablets und weitere Geräte können wertvolle Hilfe leisten. weiterlesen

Stimmt, nein sagen wäre auch eine Option, sollen wir das mal probieren?

Vergiss es, dann gehören wir nicht mehr dazu.

Meinst du, die schliessen uns so schnell aus?

Garantiert!

Meine Freundin am See hat noch nicht ganz begriffen, dass ich mich an gewissen Dingen nicht beteiligen will, dass es eine Entscheidung ist, mich nicht auf Instagram oder Facebook zu bewegen, dass es gar nicht einfach ist, diesen Möglichkeiten auszuweichen. Weisst du, heisst es dann, das kostet nichts. Ich weiss, dass ich für WhatsApp nicht mit Geld bezahlen muss, aber etwas kostet es mich ganz sicher, letztlich vielleicht sogar ein Stück Freiheit.

Junge und alte Menschen entscheiden sich für oder gegen etwas, diese Entscheide sollten ernst genommen werden. Und sind es keine Entscheide, sondern Nichtwissen oder andere sogenannte Defizite, sollten die Menschen trotzdem ernst genommen werden. Das schreibe ich mir hinter die Ohren und denke daran, wenn ich meine ältere Freundin treffe, die Provider und Browser nicht unterscheiden kann.

Es fehlt ihr nichts in ihrem Leben, es fehlt nichts an unserer Freundschaft.