demenzjournal: Wie geht es Ihrem Vater Dietmar «Didi» Constantini?
Johanna Constantini: Ich war gestern bei ihm. Wir haben den Tag zusammen im Garten der Eltern im Stubaital verbracht. Er ist seit anderthalb Jahren im Pflegeheim. Wir haben uns zu diesem Schritt entschlossen, weil es zu Hause zunehmend schwieriger wurde, ihn zu begleiten.
Wir haben einen Mittelweg gewählt: Am Abend, in der Nacht und den Morgenstunden ist er im Heim. Dort bekommt er professionelle Unterstützung, und fast täglich holt ihn ein Familienmitglied oder ein Freund ab. So können wir sehr viel Zeit mit ihm verbringen.
Der Umzug ins Heim fällt den meisten Betroffenen und Angehörigen sehr schwer.
Es war sehr herausfordernd und emotional, weil die Übersiedlung ins Heim für Papa nicht ganz freiwillig war. Er hat sich darauf eingelassen und fragte nach der ersten Nacht, ob er wirklich bleiben müsse. Es bedeutet eben auch einen Abschied, der wohl unwiderrufbar ist. Andererseits hat es uns viel Entlastung gebracht.
Johanna Constantini am Demenz Meet Zürich
Am 19. August 2023 findet das Demenz Meet Zürich statt. Die Veranstaltung soll Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen ermutigen, inspirieren und vernetzen – unter anderem mit einer Lesung von Johanna Constantini.
Wenn die Belastungen wegfallen, können die Begegnungen unbeschwerter werden.
Ich höre in meiner Praxis als Psychologin immer wieder, dass Betreuende ausgelaugt sind und nicht mehr die Kraft haben, 24/7 zu begleiten, zu pflegen und zu unterstützen. Wir sind jetzt entlastet und freier. Das hat dafür gesorgt, dass wir die gemeinsame Zeit mit ihm mehr geniessen können.
Ihr Vater ist mit 67 relativ jung, und er hat die Diagnose erst vor drei Jahren erhalten. Warum wurden die Belastungen zu Hause zu gross?
Grundsätzlich ist es gut, dass das Haus meiner Eltern auf dem Land ist. Aber die Winter sind sehr hart in den Tiroler Bergen. Papa ist immer gern rausgegangen. Es hat sich auch mal verlaufen und ist von Nachbarn wieder zurückbegleitet worden.
Seit dem vorletzten Winter konnten wir ihn nicht mehr einfach durch den Schnee losstapfen lassen, weil die Gefahr zu gross wurde.
Didi und Johanna Constantini
Dietmar «Didi» Constantini begann seine Karriere beim FC Wacker Innsbruck, mit dem er 1978 und 1979 Meister wurde. Später spielte der Innenverteidiger bei LASK Linz, AO Kavala (Griechenland) und dem Wiener Sport-Club.
Ab 1987 betreute er als Trainer unter anderem den FC Tirol Innsbruck, den FSV Mainz, Austria Wien und die Nationalmannschaft Österreichs (bis 2011). 2019 machten er und seine Familie seine Demenzerkrankung bekannt.
Seine Tochter Johanna berichtete 2020 im Buch «Abseits – aus der Sicht einer Tochter» über das Leben und die Erkrankung ihres Vaters. Als klinische Psychologin forscht und engagiert sie sich für Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen.
Manche Angehörigen plagen in dieser Zeit Schuldgefühle. Wie haben Sie das erlebt?
Das Haus meiner Eltern hat zwei Etagen, und die Treppen wurden zu einem Problem. Natürlich hätten wir umbauen und jemanden zur Betreuung einstellen können. Wir kamen zum Schluss, dass er das so nicht annehmen würde. Für alle in unserer Familie wäre es kaum lebbar gewesen.
Unser Papa hätte nie von uns erwartet, dass wir alles um ihn herum stemmen, dass wir 24/7 für seine Pflege zuständig sind. Er hätte von uns erwartet, dass wir für unsere Leben zuständig sind.
Die Liebe ist immer noch da, die ist wohl noch stärker geworden, weil die Belastungen kleiner geworden sind.
Dort muss die Qualität wohl auch liegen, denn es ist ja die Liebe, die die Menschen bis an ihr Lebensende spüren. Der Papa begrüsst uns auch heute noch mit «Schatz» und «Liebling», er ist gerne bei uns, diese Herzenswärme konnten wir wohl auch durch diesen Schritt erhalten.
Man sollte sich nicht gegen Fremdbetreuung wehren. Die Pflegenden im Heim sind sehr lieb mit ihm. Manchmal fühlt er sich dort auch mal weniger wohl, aber wir können ihm nicht alles abnehmen.