Ist eine Reise nach Ägypten das Richtige? - demenzjournal.com

Meine Mutter hat Demenz (3)

Ist eine Reise nach Ägypten das Richtige?

Eine ältere Frau steht vor einem Hotel.

Schon dreizehn Mal besuchten Frau Frutig und ihr Sohn Markus dieses Hotel in El Quseir. Bild Markus Frutig

Seitdem meine Mutter die Diagnose Demenz erhalten hatte, verstrichen anstrengende Monate für uns beide. Deshalb wollten wir in Ägypten neue Kraft tanken. Aber mir wurde auch bewusst, dass ich mit der Reise eine große Verantwortung auf mich nahm.

Von Markus Frutig

Nach den vorerst beruhigenden naturheilkundlichen Untersuchungen meiner Mutter fokussierten wir unsere Gedanken in diesem Spätherbst 2014 auf die nun geplante Weihnachtsreise nach Ägypten und die Vorbereitungen. Es sollte unsere 14. gemeinsame Reise in dieses Land sein. Die letzten großen Ferien verbrachten wir im September 2013 in Teneriffa. Dort wurde mir zum ersten Mal bewusst, dass meine Mutter dement sein könnte.

Über ein Jahr später war uns natürlich bewusst, dass die viereinhalb Stunden dauernde Flugreise von Zürich nach Marsa Alam alleine schon eine gewisse Belastung für meine Mutter darstellte. Dazu noch die Wartezeiten und Zwischenaufenthalte am Flughafen!

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Aber nachdem ich das Ganze ausführlich mit ihr und unserem Naturheilarzt besprochen hatte, buchten wir die 14 Tage zum Geburtstag meiner Mutter am 21.12. und über Weihnachten. Unsere Vorfreude stieg und als ich meiner Mutter Ende November 2014 von der erfolgreichen Buchung berichtete, war sie überglücklich. Aber mir war bewusst, dass ich damit eine große Verantwortung auf mich nahm.

Wichtige Vorkehrungen treffen

Es musste an viele Dinge gedacht werden und ich wollte mit meinen Vorkehrungen rechtzeitig beginnen. Besonders wichtig bei längeren Reisen und bei vielem Sitzen ist eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr und spezielle Hilfsmittel zur Prävention diverser typischer Reisebeschwerden. Eine gut sortierte Reiseapotheke ist dabei unabdingbar. Hierbei befolgten wir dem kompetenten Rat meines Naturheilarztes und meiner Apotheke und nahmen Medikamente gegen Durchfall, die die Darmflora wieder aufbauen und Präparate zur einfachen Entgiftung mit Aktivkohle.

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Zusätzlich Ohropax gegen Lärm, Schal und Mütze gegen Klimaanlagen- oder Zugluft, Aloe Vera gegen Sonnenbrand, aber auch Stützstrümpfe sind ganz besonders wichtige Präventions-Utensilien, die wir seit Jahren erfolgreich nutzen. Denn eine Erkältung oder eine Thrombose entwickeln sich schneller, als man denkt.

Packen mit Köpfchen – gewusst wie!

Als unser Abflugdatum, der 14. Dezember, immer näher rückte, begann ich mit meiner Mutter am Wochenende zuvor unsere Sachen zu packen. Hier merkte ich ebenfalls, dass ihr Gedächtnis und ihre Konzentrationsfähigkeit deutlich nachgelassen hatten. Denn sie wollte gerne so viel wie möglich einpacken. Aber dazu war kein Platz im Koffer.

Es wurde dann zu einer richtigen Herausforderung, ihre Kleider abgestimmt und reduziert auszuwählen.

Hilfreich war meine Strategie aus langer Reiseerfahrung, dass wir uns lediglich mit Wäsche für eine Woche eindeckten. Dank Wäscheservice im Hotel war es möglich, unsere Wäsche am Ende der ersten Woche frisch gebügelt innert weniger Stunden zurückzuerhalten. Dieses Prozedere wiederholten wir einen Tag vor Abreise, um den Stress mit den vollen Koffern und Wäschebergen nach den Ferien zu reduzieren. Denn schließlich musste ja auch noch mein Shorty mit Schwimmflossen und Taucherbrille in den Koffer passen!

Stress vor dem Abflug

Insgesamt verliefen die Vorbereitungen gut und mein bester Freund plante, uns mit dem Auto vom Flughafen Zürich abzuholen, weil der Rückflug erst spät abends war. Nur beim Hinflug am frühen Vormittag klappte es bei ihm zeitlich nicht und wir entschieden uns daher, mit Bus und Zug zum Flughafen zu fahren. Bisher hatte das immer problemlos funktioniert.

Doch dieses Mal ging es schief, denn meine Mutter ließ ihren neuen englischen Regenmantel an der Bushaltestelle liegen.

Dies merkten wir leider erst zu spät am Flughafen. Das brachte unnötig Aufregung in unsere Reisefreude. Mir wurde dadurch noch deutlicher bewusst, dass ich auch die kleinen Alltagshandlungen meiner Mutter im Auge behalten musste. Die Last der Verantwortung stieg und das bereitete mir zunehmend Sorgen.

Mit «Nonchalance» zum 86. Geburtstag

Aber meine Mutter vergaß oder verdrängte den Verlust des teuren Mantels so schnell, dass ich mich wirklich wunderte. Diese «Nonchalance», also eine fast liebenswürdige Unbekümmertheit gegenüber Dingen, die man nicht ändern kann, sollte bezeichnend werden für ihre Demenz.

Sie ärgerte sich nicht mehr so über alles – im Gegensatz zu mir. Ich ärgere mich leider viel zu oft über Probleme oder Unangenehmes.

Zum Glück verlief danach die ganze Flugreise und der Transfer zum Hotel ohne weitere Zwischenfälle. Das Traumwetter mit milden 26 Grad an unserer Traumdestination mit blauem Himmel ließ uns nahezu alle Sorgen vergessen. Wir hatten es bis auf das Malheur mit dem Mantel nun doch gut geschafft, gesund und munter in El Quseir anzukommen, um unvergessliche Ferien, einen würdevollen 86. Geburtstag meiner Mutter und schöne Weihnachten 2014 verbringen zu dürfen. (Fortsetzung folgt)


Herzlichen Dank an den Autor Markus Frutig und die Redaktion von Helvetic Care für die Gelegenheit der Zweitverwertung dieses Beitrags.