In den Ferien fielen mir die Veränderungen auf - demenzjournal.com

Meine Mutter hat Demenz (4)

In den Ferien fielen mir die Veränderungen auf

Drei Menschen lächeln in die Kamera.

Markus Frutig (r) und seine an Demenz erkrankte Mutter mit dem Cellisten «Mido» im Hotel in El Quseir.

Mit der Reise nach Ägypten ging für Markus Frutig und seine an Demenz erkrankte Mutter ein Wunsch in Erfüllung. Obwohl die beiden das Hotel schon zum vierzehnten Mal besuchten, war diesmal vieles nicht mehr so einfach. Doch die beiden entdeckten auch einen neuen Therapieansatz.

Von Markus Frutig

Die guten Vorbereitungen für die Reise und eine gut sortierte Hausapotheke legten die Basis für zwei Wochen erholsame Ferien in Ägypten. Die Flugreise von Zürich nach Marsa Alam und den einstündigen Hoteltransfer nach El Quseir hatten wir geschafft. Und so begann der erste Ferientag in unserem geliebten, von einer Schweizer Managerin geführten Fünfsterne-Hotel gemütlich eine halbe Stunde vor Büffetschluss um 10.30 Uhr. Denn meine Mutter liebt es wie ich, lange auszuschlafen. Nach einem gemütlichen Aufwachen wollten wir uns also bei angenehmen 22 Grad zum Büffet aufmachen.

Vieles dauert länger

Aber da zeigten sich Veränderungen durch die Demenz, die ich erst jetzt so deutlich bemerkte: Meine Mutter benötigte für die Morgenwäsche und das Umziehen deutlich länger, als ich es von ihr von zuhause oder früheren Besuchen hier im Hotel kannte. Wir hatten zwar den Kleiderschrank am Abend zuvor gemeinsam eingeräumt und das Hotelzimmer war nahezu identisch zu den vergangenen Jahren.

Aber meine Mutter saß hilflos auf dem Bett und fragte sich, wo sie und ihre Sachen seien.

Natürlich half ich ihr beim Anziehen. Wir hatten ja Zeit. Aber mir fiel auf, dass es nicht mehr so problemlos ging wie sonst. Da sich das Restaurant gleich neben unserem Bungalow befand, erreichten wir es dann doch recht schnell. Und obwohl wir an diesem Morgen erst kurz vor Schluss ankamen, durften wir uns noch reichlich bedienen.

Gut umsorgt, aber oft orientierungslos

Im Hotel kannten uns bereits die meisten Angestellten, daher ist es hier jedes Mal, als ob man in ein zweites Zuhause kommt. Uns zu Ehren wurde bei unserem zehnten Besuch sogar je ein Olivenbaum gepflanzt. Inzwischen – wir sind nun zum vierzehnten Mal hier – sind die Bäumchen fast zwei Meter hoch. Diese Vertrautheit zum Hotel mit seinen Angestellten war für uns sehr wichtig.

Als Gast wird man hier umsorgt, als ob man zur Familie des Hotels gehört. So konnte ich meine Mutter auch beruhigt am Strand unter dem Sonnenschirm liegen lassen, während ich schwimmen war oder auch mal einen Ausflug mit anderen Hotelgästen machte.

Die freundlichen Mitarbeiter:innen achteten immer darauf, dass es uns auch wirklich gut geht und es an nichts fehlt.

In den kommenden Tagen akklimatisierten wir uns schnell. Meine Mutter fühlte sich sehr wohl, denn sie liebt wie ich das Meer, die Sonne und einfach mal Entspannung pur. Nur mit der Orientierung wurde es immer schwieriger. Ich musste sie nun regelmäßig zum WC im Restaurant, zur Massage oder zurück zum Zimmer begleiten, denn sie fand sich alleine nicht mehr zurecht und verlief sich öfters.

Auch mit dem Schwimmen merkte ich im Vergleich zu früher, dass sie zunehmend Mühe und Angst hatte, alleine ins Meer zu gehen. Aber die Hotelmitarbeiter:innen halfen ihr und hatten ein besonders wachsames Auge auf sie. Das entlastete mich sehr und gab uns beiden ein Gefühl der Erleichterung und Geborgenheit.

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Ich hatte mir bereits vor Abflug Fachliteratur besorgt, um mein Wissen zu den Themen Demenz und Therapiemöglichkeiten zu vertiefen. Dazu handelte es sich um ein Buch von Bruce Fife über die Erfolge mit Kokoswasser und Kokosöl, eines über Grünteeextrakt EGCG (Epigallo Catechin Gallat) sowie ein weiteres über Gedächtnisübungen. Das nutzte ich neben dem Essen, den gemütlichen Strandspaziergängen und dem Schwimmen. Über unsere Erfahrungen werde ich in einem der folgenden Beiträge detailliert sprechen.

Ein unvergesslicher 86. Geburtstag und Musik als Therapie

Ein Highlight unserer Ferien in Ägypten sollte der Geburtstag meiner Mutter am Abend des 21. Dezember 2014 werden. Denn wir lernten in der Woche davor «Mido» Mohammed Jabr, einen Cellisten des Kairoer Opernorchesters kennen. Mido war zu dieser Zeit im Hotel gebucht, um die Gäste während des Abends mit klassischer Musik zu begleiten. Nach einem wunderbaren Galadinner spielte Mido neben Stücken von Mozart und Schubert das Ave-Maria von Bach/Gounod für meine Mutter.

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Diesen Abend werden wir nicht so schnell vergessen. Meine Mutter war so glücklich und vollkommen «aus dem Häuschen», wie schon lange nicht mehr! Dieses Erlebnis wurde auch zu einem wichtigen Auftakt für die Begleitung meiner Mutter. Denn Musik spielte eine enorme Bedeutung für ihr Wohlbefinden, wie ich immer mehr entdeckte.

Am 28. Dezember mussten wir schweren Herzens wieder den Heimflug ins kalte, regnerische Zürich antreten. Alles ging gut und diese 14 Tage waren eine wertvolle Phase in unserem Leben mit viel Wissen und wertvollen Erfahrungen für die nächste Zeit. (Fortsetzung folgt)


Herzlichen Dank an den Autor Markus Frutig und die Redaktion von Helvetic Care für die Gelegenheit der Zweitverwertung dieses Beitrags.