Ich war unzufrieden in meinem Beruf. Ich kam mir in meinem Pflegealltag vor wie eine Fliessbandarbeiterin – dort eine Spritze setzen, hier einen Verband wechseln, kaum Zeit für ein persönliches Gespräch, immer gehetzt.
Dann erfuhr ich vom Buurtzorg-Ansatz. Der hat mich so beeindruckt, dass ich mich vor vier Jahren mit fünf anderen Pflegefachpersonen entschloss, ein Buurtzorg-Team zu gründen. Zurzeit sind wir zehn Teammitglieder.
Buurtzorg
Buurtzorg bedeutet Sorge um die Nachbarschaft und bezeichnet ein in Holland etabliertes Modell für die ambulante Pflege und Betreuung. Profis arbeiten eng mit dem sozialen Umfeld einer Person zusammen. Buurtzorg versteht Pflege ganzheitlich und setzt auf Teams, die sich selbst organisieren. Es hält die Administration klein und verrechnet einheitliche Stundentarife.
In der heutigen Morgenschicht treffe ich als erstes eine neue Klientin. Beim ersten Treffen folgen wir dem Prinzip «zuerst den Kaffee und dann die Pflege».
Mit Kaffee ist Beziehungsarbeit gemeint. Es geht darum, eine gemeinsame Beziehung aufzubauen und das Beziehungsnetz von Bekannten, Verwandten, Nachbarn etc. einschätzen zu können.
Wir von Buurtzorg wollen mit der pflegerischen Dienstleistung die Autonomie der Klientinnen und Klienten fördern. Dazu gehört auch, dass wir sie und ihr Umfeld bewusst und gezielt befähigen wollen, bestimmte Pflegetätigkeiten nach unserer Anleitung selbst zu verrichten.
Trotz vorhandener Unsicherheit überwiegt die Motivation der Pflegebedürftigen, sich auf diesen Ansatz einzulassen.
Wir setzen beispielsweise das Ziel, dass sie in vier Monaten die Kompressionsstrümpfe ohne Hilfe anziehen kann und sind dadurch schon mitten in der Pflegeplanung.
Der Übergang vom Kaffee zur Pflege, vom zwischenmenschlichen Austausch zur fachlichen Entscheidungsfindung, ist fliessend.
Der letzte Klient der Schicht begrüsst mich etwas gehetzt. «In knapp 40 Minuten startet der Final eines internationalen Schwimmwettbewerbs und den möchte ich in aller Ruhe anschauen.» Während ich den Verband seiner Beinwunde entferne, kommen wir auf das Schwimmen zu sprechen.
Er sei früher auf regionaler Ebene vorne mitgeschwommen. Das Schwimmen fehle ihm, aber mit dieser Wunde könne er nicht mehr in ein Hallenbad. Ich begutachte die Wunde und mache wie gewohnt ein Foto davon. Die Wunde sieht besser aus.