Mehrfach kamen in den letzten Jahren Pflegefachpersonen auf den Schweizer Berufsverband der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner SBK zu, die erzählten, dass sie während der Pflege von Sterbenden an ihre emotionalen und moralischen Grenzen gekommen seien.
Hintergründe dafür sind, dass Pflegen einerseits bedeutet, einen Menschen zu begleiten und seinen Willen und seine Wahl zu respektieren. Andererseits haben Pflegefachpersonen auch eigene Vorstellungen darüber, wie ein guter Sterbeprozess und der faire und würdige Umgang mit Menschen aussieht, die sie in dieser Lebensphase pflegen.
Wenn ein Patient den Wunsch hat, sein Leben zu verkürzen und dies mit der Angst begründet eine Last für die Angehörigen und die Gesellschaft zu werden, oder damit, dass er nicht in der Lage sei, seine Abhängigkeit in einer Gesellschaft zu ertragen, die sich massgeblich an den Werten von Jugend, Schönheit und Leistung orientiere, führt dies zur Konfrontation mit den Wertvorstellungen vieler Pflegefachpersonen.
Ziel der Ethikkommission war es, einen ethischen Standpunkt zu verfassen, der Pflegenden innerhalb der ganzen Breite der Thematik Leitlinien geben kann, wie sie den Fragen und Belastungen bei der Pflege und Betreuung von Menschen am Lebensende gut begegnen und hilfreich damit umgehen können.
Es wurden Workshops durchgeführt, eine Literaturübersicht (2015) gemacht, sowie Expertinnen aus Praxis, Forschung, Management und Bildung angehört. Dazu kamen die Präsentation von Forschungsresultaten und wissenschaftliche Kolloquien (2016).
Grundsätzlich fürsorglich
Im ersten Teil des «Standpunkts» wird die Komplexität der pflegerischen Begleitung von Menschen am Lebensende beschrieben. Danach werden Handlungsoptionen für die einzelne Pflegefachperson, für Pflegeteams, für Pflegeinstitutionen und – auf der Ebene des Gesundheitssystems – für alle Pflegesituationen vorgeschlagen.
Die SBK-Ethikkommission geht vom Grundsatz aus, dass Situationen am Lebensende eine fürsorgliche Haltung (Caring als Bestandteil der professionellen Pflege) erfordern, «um den bio-psychosoziokulturellen und spirituellen Bedürfnissen von Patientinnen und ihren Angehörigen gerecht zu werden».
Erfreulich ist, dass Palliative Care sich derzeit stark entwickelt und Pflegefachpersonen dabei eine Schlüsselrolle spielen.
Die Folge ist: «In einigen schwierigen Situationen können sich Pflegefachpersonen hilflos fühlen und unter moralischem Stress leiden.» Wie sich dieses Gefühl der Hilflosigkeit äussert, wenn eine Pflegefachperson ihre beruflichen und persönlichen Werte nicht mehr einhalten kann, wird im «Standpunkt» mit Beispielen illustriert.
So reduzieren Sie moralischen Stress
Im «Ethischen Standpunkt» sind unter anderem folgende Empfehlungen an Pflegefachpersonen formuliert:
- Zusammen mit dem Patienten seine Bedürfnisse, Wünsche und seinen Willen betreffend seiner Lebensqualität und seine Erwartungen an das Pflegepersonal klären.
- Sich über die bio-psycho-soziokulturellen und spirituellen Bedürfnisse der Patientinnen und ihrer Angehörigen informieren und sie bei Entscheiden in Bezug auf das Lebensende berücksichtigen.
- Kritische Punkte und Fragen, die moralischen Stress bei den Pflegenden verursachen könnten, offen ansprechen.
- Sich in Palliativpflege weiterbilden und an Teamsupervisionen teilnehmen.
- An ethischen Fallbesprechungen und Ritualen teilnehmen – nach dem Tod eines Patienten oder wenn er die Institution verlässt, um einen begleiteten Suizid durchzuführen.
- Gesetzliche Vorschriften beachten.