Von hoch oben mit einem weiten Blick in den Garten.
Ein Morgen auf dem Dachgarten.
Der Blick schweift hoch hinaus in den Himmel.
Abend im Mäander-Garten.
Ausblick aus der Balkonperspektive.
Auf einem Tagesausflug im Garten.
Ulrike Kreuer.
Rendel Freude
Je weiter eine Demenz fortschreitet, desto mehr zerfallen Erinnerungen und Strukturen wie das Verständnis von Tag und Nacht, von Orten oder Bekanntschaften. Die Natur kann helfen, Anker zu setzen und bietet Menschen mit Demenz damit wichtige Orientierung. Mit wertvollen Tipps aus der Praxis.
Von Ulrike Kreuer
Haben Sie das auch gerade gerochen, diesen herbstlichen Duft von Laub und frischer Erde? Ich fühle mich bei diesem Duft wunderbar in meine Kindheit versetzt. Haben Sie auch einen Duft, der Sie an Ihre Kindheit erinnert? Vielleicht den Duft nach Minze oder Lavendel? Einen Duft, der Sie fröhlich stimmt oder aus irgendeinem Grund glücklich macht?
Am längsten erinnern wir uns an Düfte
Wussten Sie, dass uns Düfte immer sofort und unmittelbar mit unseren Erinnerungen verbinden? Und wir uns ganz automatisch so fühlen wie damals? Auch wenn es schon ewig lange her ist: Der Geruchssinn trügt nie.
Was muss ich klären, bevor die Demenz fortschreitet?
Im demenznavi erwarten dich Vorlagen zu Patientenverfügung, Vollmacht usw.
Ob wir einen bestimmten Duft mögen oder ablehnen, hängt von den Umständen ab, unter denen wir ihn zum ersten Mal gerochen haben. War die Situation mit Freude, Glück, Liebe oder anderen schönen Gefühlen verbunden, dann transportiert der Duft auch weiterhin diese Gefühle. Andersherum transportieren Düfte, die an unangenehme Gefühle gekoppelt waren, eben auch negative Stimmungen.
Was wir riechen, bestimmt entscheidend unser Wohlgefühl und legt eine Spur zur eigenen Identität.
Gerüche sind wie ein Anker, die uns mit dem gefühlten Zuhause verbinden. Menschen mit Demenz brauchen genau solche Anker, um in der Flut des Vergessens nicht unterzugehen.
Ein Garten mit all seinen Düften ist wie ein Hafen, in dem sie vor Anker gehen können. Er birgt unendlich viele Möglichkeiten, wie wir Menschen mit Demenz Lebensfreude und ein Stück Normalität schenken können.
Praxistipp
Trainieren Sie den Geruchssinn!
Ein Training des Geruchssinns sollte regelmäßig über einen Zeitraum von mindestens einem Monat durchgeführt werden. Besser ist eine Trainingszeit von vier Monaten, da die Bildung neuer Riechsinneszellen ein bis vier Monate dauert.
Geschnüffelt wird an ätherischen Ölen, die sekundäre Pflanzenstoffe enthalten. Diese Signalstoffe sind in ihrer molekularen Struktur dem Neurotransmitter Acetylcholin sehr ähnlich, der im Gehirn Signale zwischen Nervenzellen übermittelt.
Regelmäßiges Riechtraining mit ätherischen Ölen kann einen Acetylcholin-Mangel ausgleichen, der bei Menschen mit Demenz auftritt.
Ulrike kreuer
Seit 20 Jahren entwickelt Ulrike Kreuer therapeutisch wirksame Gärten für und mit Senioren. Ihr Unternehmen »Der Dritte Frühling – Gärten für Menschen mit Demenz« wurde 2005 mit dem Innovationspreis von NRW ausgezeichnet. Sie ist Referentin für Gartentherapie und führt Workshops für Einrichtungen und Angehörige durch. Mitglied der Internationalen Gesellschaft für Gartentherapie (IGGT).
Der Trainingsplan könnte folgendermaßen aussehen:
🌺 Auf der Grundlage der Duftvorliebe der jeweiligen Trainingsperson wählen Sie je einen Duft aus den Duftgruppen fruchtig, blumig, würzig und harzig
🌺 Geben Sie wenige Tropfen vom jeweiligen Duft (bio-zertifiziertes ätherisches Öl) auf einen Wattebausch und verschließen diesen in einer kleinen Dose oder einem Glas. Beschriften nicht vergessen.
🌺 Bieten Sie die Düfte morgens und abends zum Riechen an. Dabei die Dosen mit der Watte unter die Nase der zu trainierenden Person halten oder den Duft leicht in Richtung Nase fächern. Lässt die Duftwirkung nach einiger Zeit nach, träufeln Sie etwas Öl nach.
🌺 Lassen Sie die vier ausgewählten Düfte abwechselnd schnüffeln. Idealerweise ermöglichen Sie zusätzliches sinnliches Erleben beispielsweise durch Blüten, Zweige oder Früchte der jeweiligen Duftpflanze.
Beispiele für ätherische Öle zu den vier Duftgruppen:
Herr Schmitz geht allein durch den dunklen Flur. Nur mit einem Schlafanzug bekleidet, schlurft er ohne Schuhe und Socken über den nachtkalten Gang. Er ist unruhig, stößt gegen herumstehende Stühle und rüttelt an verschlossenen Türen. Es ist mitten in der Nacht und er weiß nicht, wohin er unterwegs ist. Herr Schmitz hat sein Zeitgefühl verloren.
demenzwiki
Licht
Bei Menschen mit Demenz lässt die Sehkraft nach. Dies schadet der inneren Uhr und fördert die Sturzgefahr. Das richtige Licht kann Abhilfe schaffen. weiterlesen
Der Verlust des Zeitgefühls ist ein häufiges Symptom von Demenz. Die Folge ist eine Verschiebung des Tag- und Nachtrhythmus. Wie kann ich aber diesen Rhythmus erhalten? Und was ist überhaupt ein Zeitgefühl und wie entsteht es?
In der Wissenschaft beschäftigt sich die Chronobiologie mit der inneren Uhr und mit dem, was sie aus dem Takt bringt. Die innere Uhr tickt im Gleichklang mit der Natur. Durch das Erleben eines 24-stündigen Zyklus von Licht und Dunkelheit kann der Körper seinen Tageszyklus regulieren.
Der regelmäßige Aufenthalt im Freien hat einen positiven Einfluss auf den Biorhythmus eines Menschen.
Das Licht synchronisiert die »innere Uhr« mit der »externen Uhr«. So haben wir ein Empfinden, wann es Tag ist und wann Nacht. Sind wir aber von dem täglichen Wechsel von hell und dunkel abgeschnitten, können Depression und Schlafmangel auftreten.
Alte Menschen in Pflegesituationen sind meistens unzureichend mit natürlichem Licht versorgt und folglich auch von einem natürlichen Rhythmus von hell und dunkel abgeschnitten. Die Gründe sind vielfältig: In die Zimmer oder das Gebäude scheint unzureichend Sonnenlicht, es gibt keinen Garten oder schlechte Zugänge und körperliche Einschränkungen verhindern den Gang nach draußen. Die Folgen sind erschreckend.
Demenzarchitektur
»Das Licht ist doch gratis«
Der Architekt Enzo Bernasconi baut Lebensraum für Menschen mit Demenz. Schon immer hat er dabei auf reichlich und gut verteiltes Tageslicht geachtet. weiterlesen
Herr Schmitz findet womöglich zu seinem Zeitgefühl zurück, wenn er den Tag mit einem kleinen Spaziergang in einem Garten beginnen kann, am Nachmittag dem Regen zusieht und durch ein großes Fenster von der Abendsonne in den Schlaf begleitet wird.
Praxistipp
Der Ausblick aus dem Fenster
Das bloße Vorhandensein eines Fensters reicht oft nicht aus, um das Draußen nach drinnen zu holen. Das Fenster ist die Schwelle, die optisch überschritten werden muss, um sich mit der natürlichen Welt zu verbinden. Bei dieser scheinbar einfachen Aktivität spielen verschiedene Aspekte eine Rolle:
🌍 der Standort des Betts bei bettlägerigen Menschen: Können sie in bevorzugter Liegeposition bequem aus dem Fenster schauen
🌍 Gardinen oder Vorhänge können das Vorhandensein eines Fensters ausblenden
🌍 die Hauptaufenthaltsorte bestimmen die Häufigkeit des Hinausschauens
🌍 der Standort des Gebäudes in der Landschaft
🌍 die Lage des Zimmers im Haus
🌍 die Qualität des Ausblicks und die individuellen Vorlieben des Betrachtenden
Das, was gerne betrachtet wird, ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Manch einer schaut gerne in die Ferne oder beobachtet am liebsten Vögel, jemand anderes verliert sich in Baumwipfeln oder findet das Treiben auf der Straße am reizvollsten.
Es gilt, unterschiedliche Ausblicke anzubieten, und zwar wenn möglich an allen Aufenthaltsorten, Blicke nach draußen, die den Garten und das natürliche Umfeld mit ihren Farben und Formen, den dort vorkommenden Lebewesen jahreszeitlichen Veränderungen erlebbar machen.
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