Grapefuit und Cranberry können ganz schön gefährlich sein
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Ernährung und Medikamente

Grapefuit und Cranberry können ganz schön gefährlich sein

Inhaltsstoffe im Essen oder in Getränken können die Wirkung von Medikamenten ziemlich verändern. Bild PD

Nach seiner Lungenentzündung hatte der 70-Jährige überhaupt keinen Appetit mehr. Er ernährte sich nur noch von Fruchtsaft – und war sechs Wochen später tot. Schuld war der Cranberry-Saft, den der Mann täglich trank.

Der Mann nahm seit Jahren das Medikament Warfarin, damit sich kein Blutgerinnsel bildet, das einen Herzinfarkt oder Schlaganfall auslösen könnte. Doch seine Diät hatte fatale Folgen. Die im Cranberrysaft enthaltenden Flavonoide liessen das Warfarin stärker wirken. Sie hemmen nämlich ein Enzym, das Warfarin abbaut. Der Mann starb an Blutungen im Herzen und im Darm.

«Inhaltsstoffe im Essen oder in Getränken können die Wirkung von Medikamenten ziemlich verändern», sagt Klaus Mörike, Klinischer Pharmakologe am Unispital in Tübingen. «Bei bestimmten Arzneimitteln muss man vorsichtig sein.» Es gibt bisher jedoch keinen wissenschaftlichen Überblick, wie häufig das vorkommt und was den Patienten dabei passiert. 

Die Dosis an die Essgewohnheiten anpassen

Selbst bei Medikamenten, bei denen Wechselwirkungen gut bekannt sind, kommen Ärzte diesen oft nicht gleich auf die Spur. So wie bei der 64-jährigen Frau nach der Herzklappen-Operation. Ihre Verwandten meinten es gut mit ihr und brachten Multivitamintabletten für eine schnelle Genesung mit.

Michael Wolzt, Kardiologe an der Uniklinik für Klinische Pharmakologie an der MedUni Wien wunderte sich indes, warum das blutgerinnungshemmende Phenprocoumon nicht wirkte, was die Patientin genau wie den 70-Jährigen vor Blutgerinnseln schützen sollte.

Er dosierte das Phenprocoumon höher, aber das Blut gerann immer noch zu stark. «Ich fand erst nach Wochen und mit hartnäckigem Fragen heraus, dass es an den Multivitamintabletten lag», erzählt Wolzt. Die enthielten auch Vitamin K, was die Wirksamkeit von Phenprocoumon stark schwächte. 

«Zu viel Vitamin K – etwa eine grosse Portion Spinat oder Kohl auf einmal – sollte man sich als Phenprocoumon-Patient verkneifen», sagt Mörike. Zähle Grüngemüse aber zu den Leibspeisen, könne der Arzt auch eine höhere Dosis verschreiben. Anders herum muss die Dosis reduziert werden, wenn es vom Speiseplan verschwindet – denn sonst könnte es zu lebensgefährlichen Blutungen kommen, etwa im Hirn. 

Essen und dazu Medikamente schlucken ist nicht immer gut

Auch bei einer 75-jährigen Patientin fragte sich Wolzt, warum das verschriebene Medikament nicht wirkte. Die Dame brauchte Schilddrüsenhormone, aber obwohl die Dosis ausreichend war und die Frau schwor, die Tabletten brav zu nehmen, liess sich im Blut keine ausreichend hohe Konzentration nachweisen.

Wieder brachte ihn beharrliches Fragen auf die Ursache: Die Frau schluckte die Tabletten immer mit dem Essen, weil sie gehört hatte, dass das den Magen schone. Dies trifft zwar auf einige Medikamente zu, nicht aber auf Schilddrüsenhormone. «Die Nahrung im Darm verhinderte, dass die Hormone genügend aufgenommen wurden», sagt Wolzt. 

Ähnliches kann passieren, wenn man bestimmte Antibiotika (Tetrazykline) oder Medikamente zur Behandlung einer Osteoporose (Bisphosphonate) mit Milch oder kalziumhaltigem Mineralwasser schluckt. «Das Kalzium in der Milch formt einen Komplex mit den Arzneimitteln und sie werden nicht richtig aufgenommen», erklärt Mörike. 

Tabletten nimmt man sowieso am besten mit Leitungswasser zu sich – und auf keinen Fall mit Grapefruitsaft: Die unschuldige Frucht blockiert den Abbau von mehr als 85 Medikamenten.

Dies hatte ein Forscherteam vom kanadischen Lawson Health Research Institute schon vor mehr als 20 Jahren herausgefunden. Die Arzneimittel wirken dann stärker. Schon ein Glas mit 200 Millilitern genügt mitunter, um Symptome zu verursachen. Das reicht von Blutdruckabfall zu schweren Nierenschäden oder Muskelzerstörung.

«Grapefruitliebhaber brauchen aber nicht ganz auf ihre Lieblingsfrucht zu verzichten», sagt Mörike. «Auch hier gilt wieder: Wenn der Arzt davon weiss, kann er einfach die Dosis des Medikaments reduzieren.» Hat man von Grapefruit aber auf einmal genug, muss man die Dosis wieder erhöhen. 

Der Experte rät grundsätzlich dazu, Vorlieben für Nahrungsmittel oder Getränke in Kombination mit Medikamenten nicht zu exzessiv auszuleben. Die Inhaltsstoffe von Lakritze etwa lassen den Blutdruck ansteigen. Wer Blutdruckmittel nimmt, sollte besser auf grössere Mengen davon verzichten. Gefährlich sind auch manche Kombinationen mit Alkohol. «Vor allem zusammen mit Schlafmitteln, manchen Antidepressiva oder Opiat-Schmerzmitteln wird man müde und schläfrig.»

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Mythos Schmerzmittel und Alkohol

Oft hört man, bei Schmerztabletten solle man ebenfalls auf Alkohol verzichten. «Abgesehen davon, ob einem Alkohol bei Schmerzen gut tut, ist gegen ein Gläschen Wein nichts einzuwenden», sagt Mörike. «Nur keine harten Schnäpse – das kann die reizende Wirkung der Schmerzmittel auf die Magenschleimhaut verstärken.»  Auch eine andere Empfehlung hält sich hartnäckig: Wer Antidepressiva schluckt, dürfe nur wenig reifen Käse geniessen, weil sonst der Blutdruck gefährlich steigen könne.

«Mich wundert, dass im Internet immer noch häufig davor gewarnt wird», sagt Mörike. «Viele Patienten verkneifen sich das, aber die Wechselwirkung betrifft nur Tranylcypromin, das heute kaum noch verschrieben wird. Man kann nur die Leier aus dem Fernsehen wiederholen: Wenn man unsicher ist, lieber Arzt oder Apotheker fragen.» 

Abgesehen davon kann jeder, der eine Wechselwirkung bei einem Medikament vermutet, seine Erfahrungen melden: Entweder einem Arzt oder direkt der Swissmedic, die für die Zulassung und Überwachung von Medikamenten in der Schweiz zuständig ist. «Meldet man gemeinsam mit dem Arzt, hat das den Vorteil, dass der genaue Angaben zum Krankheitsverlauf machen oder noch wichtige Informationen angeben kann, zum Beispiel die eingenommene Dosis», sagt Lukas Jaggi, Pressesprecher der Swissmedic. «Betroffene können sich aber auch direkt an uns wenden.»

Swissmedic geht davon aus, dass nur maximal 20 Prozent der tatsächlichen Wechselwirkungen berichtet werden. «Würden mehr Patienten und auch Ärzte melden, könnten wir Risiken durch Medikamente früher erkennen, von denen wir noch nichts wussten.» 

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