Zauberpilze mit dem Wirkstoff Psilocybin werden seit Jahrtausenden von Menschen konsumiert.
Bild Adobe Stock
Ein Psychiater aus der Schweiz behandelte eine ältere Dame nach einem Schlaganfall mit dem Halluzinogen Psilocybin. Die Frau vertrug das gut, und ihr Hirn scheint sich dadurch besser erholt zu haben. Das gibt Hoffnung für die Behandlung von Menschen mit Vaskulärer Demenz.
Alle 2,6 Sekunden bekommt ein Mensch einen Schlaganfall, im Jahr 2019 traf es weltweit 12,2 Millionen Menschen. 101 Millionen leiden unter Folgeschäden: Lähmungen, Sprech- oder Sehstörungen, Ängste oder Depressionen, man kann sich nicht mehr konzentrieren, hat Probleme mit der Orientierung oder bekommt eine Vaskuläre Demenz. Vor allem nach mehreren Mini-Schlaganfällen ist das Risiko dafür hoch.
Gregor Hasler.
Wie schön wäre es, könnte man die Demenz vermeiden! Vielversprechend klingt daher die Therapie, die ein Schweizer Psychiater neulich auf dem Europäischen Schlaganfall-Kongress in Helsinki vorstellte. Gregor Hasler ist Chefarzt im Netzwerk für Psychische Gesundheit in Fribourg. Er behandelte zum weltweit wohl ersten Mal eine 72 Jahre alte Dame aus der Schweiz nach einem Schlaganfall mit Psilocybin, damit sich ihr Hirn schneller erholt.
Psilocybin ist ein Halluzinogen – Psychedelikum genannt – , das als Rauschmittel in Form von »Zauberpilzen« oder »Magic Mushrooms« schon seit Jahrtausenden konsumiert wird. Zu den Psychedelika gehören auch LSD, Mescalin aus Kakteen und DMT, das Gift der Aga-Kröte. Sie sind nicht mehr nur in der Drogenszene beliebt, sondern zunehmend auch bei Ärzten. Die Mittel werden unter anderem gegen Depressionen getestet, posttraumatischen Stress, Magersucht und Parkinson – und sollen nun auch nach einem Schlaganfall helfen.
Elefantenpost
Aus 🐘 werden 🐘🐘🐘: Schließe dich der demenzworld-Community an und erhalte inspirierende Demenzgeschichten und Aktuelles aus der demenzworld!
»Es wäre natürlich schön, wenn wir mit Zauberpilzen eine Demenz verhindern könnten«, sagt Frank Erbguth, Neurologe und Präsident der Deutschen Hirnstiftung. »Leider klappt das aber höchstwahrscheinlich nicht. Denn wir haben keine Hinweise, dass Psilocybin die Durchblutung im Hirn verbessert.«
Bessere Neuroplastizität
Psychiater Hasler hatte aber auch ein anderes Ziel im Kopf: Psilocybin sollte der Dame helfen, dass ihr Hirn rascher wieder so arbeitet wie vorher und sich etwa das Bewegungsausmass verbessert. Die Seniorin konnte nach ihrem Schlaganfall im Jahr 2023 maximal 50 Minuten am Stück stehen. Nachdem sie dreimal Psilocybin-Kapseln über einen Zeitraum von einem Jahr genommen hatte, konnte sie doppelt so lange stehen. Sie habe die Therapie gut vertragen, erzählt Hasler, und sie sei entspannt gewesen.
Forscher hoffen, dass Psilocybin die Neuroplastizität fördert. Neuroplastizität ist die Fähigkeit des Gehirns, sich ein Leben lang umzubauen, also dass sich etwa neue Verbindungen und Verschaltungen zwischen Nerven bilden. Das ermöglicht uns zu lernen und an Veränderungen anzupassen. Neuroplastizität ist essenziell, um nach einem Schlaganfall so viele Fähigkeiten wie möglich wiederzuerlangen.
demenzwiki
Vaskuläre Demenz
Der Begriff «vaskulär» bedeutet «gefässbedingt». Bei der vaskulären Demenz führen Durchblutungsstörungen im Gehirn zum Absterben von Nervenzellen. Die grössten Risikofaktoren sind Herz-Kreislauf-Krankheiten. Werden … weiterlesen
Nach einem Schlaganfall leidet jeder zweite Betroffene unter Lähmungen oder Gefühlsstörungen. In einer Studie von der Universität in Oxford waren fünf Jahre nach dem Ereignis noch vier von zehn Patienten behindert, und jeder fünfte musste in ein Pflegeheim. Die Symptome lassen sich durch gezielte Massnahmen bessern, etwa Geh- oder Sprachtraining, Elektrostimulation oder Ganghilfen. Vor allem in den ersten Wochen nach dem Ereignis lässt sich im Hirn eine vermehrte Neuroplastizität beobachten.
Stefan Engelter.
»Medikamente könnten diesen Prozess verstärken«, sagt Stefan Engelter, Leiter der Arbeitsgruppe Neurorehabilitation der Schweizerischen Hirnschlaggesellschaft. Leider zeigten die bisherigen Studien, unter anderem mit Antidepressiva oder Aufputschmitteln, nicht die erhofften Effekte. Auch das Parkinsonmittel Levodopa enttäuschte. In der jüngsten Studie mit 610 Schlaganfall-Patienten, die Engelter auf dem Kongress in Helsinki vorstellte, besserte sich das Bewegungsausmass mit Levodopa nicht mehr als mit einem Placebo, also einem Scheinpräparat.
Menschen können auf LSD-Trip besser tippen
Tierstudien zeigten, dass Psychedelika die Neuroplastizität erhöhten. Hasler las dann in einer Studie, dass sich Ratten nach einem Schlaganfall besser mit dem Halluzinogen DMT als mit Placebo erholten. Daraufhin führte er einen Versuch mit 42 gesunden Erwachsenen durch. Sie sollten LSD nehmen und 30 Minuten lang eine Finger-Tipp-Übung am Computer lernen. 90 Minuten nach LSD waren sie im Tipp-Test schneller als diejenigen, die ein Placebo eingenommen hatten.
LSD scheine das Gehirn so zu verändern, dass das zuvor Gelernte im Gehirn besser verankert werde, sagt Hasler. »Das könnte auch die Umbauvorgänge nach einem Schlaganfall unterstützen.« Die behandelnden Ärzte der Dame hätten ihn ursprünglich gefragt, ob er noch eine Idee habe, was man gegen ihre schwere Depression tun könne. Verschiedene Antidepressiva hatten ihr nicht geholfen. Hasler kam auf Psilocybin, weil es zu dem Psychedelikum am meisten Studien gab. »Ich wollte zuerst nur die Depression lindern«, sagt er. »Dann fiel mir ein, dass das vielleicht auch die Umbauvorgänge in ihrem Hirn fördert.«
Frank Erbgut.
Der Versuch mit Psilocybin sei spannend, sagt Neurologe Erbguth. »Aber wir wissen damit noch nicht, ob und welche Rolle Halluzinogene in der Schlaganfall-Rehabilitation spielen werden. Dafür brauchen wir Studien, wo die Hälfte der Patienten die Substanz bekommt und die Hälfte ein Placebo.« Auch Christian Dohle, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Neurorehabilitation, warnt vor zu viel Euphorie: »Die Stehzeit der Dame lässt keine Aussage zu, ob es Psilocybin war oder ob ihre Muskeln stärker geworden waren oder ob es ihr psychisch besser ging und sie dadurch mehr Ausdauer hatte«, sagt er. Und selbst wenn Psilocybin einen Effekt auf die Bewegung habe: »Das Kernelement bleibt Üben. Wer wieder gehen lernen will, muss konsequent Gehtraining machen, wer nicht gut sprechen kann, braucht intensives Sprachtraining.« Medikamente wie Psilocybin könnten diesen Prozess im besten Falle unterstützen, aber nicht ersetzen.
Berücksichtigen muss man auch das Risiko für Nebenwirkungen. In einer Metaanalyse mit insgesamt 528 Teilnehmern, die Psilocybin gegen Depressionen oder Angststörungen erhalten hatten, traten am häufigsten Kopfschmerzen, Übelkeit, Schwindel und Angstgefühle auf. Diese Beschwerden legten sich innerhalb von 48 Stunden. Das sei beruhigend, sagt der Neurologe Engelter. »Aber wir wissen nicht, ob das auch für Schlaganfall-Patienten zutrifft.«
«Nirgends anderswo wird so viel Wert auf differenzierte und anspruchsvolle Berichterstattung gelegt, als auf demenzjournal.com. Das Niveau ist stets hoch, dabei aber nicht abgehoben.»
Um Ihnen ein optimales Erlebnis zu bieten, verwenden wir Technologien wie Cookies, um Geräteinformationen zu speichern und/oder darauf zuzugreifen. Wenn Sie diesen Technologien zustimmen, können wir Daten wie das Surfverhalten oder eindeutige IDs auf dieser Website verarbeiten. Wenn Sie Ihre Zustimmung nicht erteilen oder zurückziehen, können bestimmte Merkmale und Funktionen beeinträchtigt werden.
Funktional
Immer aktiv
Die technische Speicherung oder der Zugang ist unbedingt erforderlich für den rechtmäßigen Zweck, die Nutzung eines bestimmten Dienstes zu ermöglichen, der vom Teilnehmer oder Nutzer ausdrücklich gewünscht wird, oder für den alleinigen Zweck, die Übertragung einer Nachricht über ein elektronisches Kommunikationsnetz durchzuführen.
Vorlieben
Die technische Speicherung oder der Zugriff ist für den rechtmäßigen Zweck der Speicherung von Präferenzen erforderlich, die nicht vom Abonnenten oder Benutzer angefordert wurden.
Statistiken
Die technische Speicherung oder der Zugriff, der ausschließlich zu statistischen Zwecken erfolgt.Die technische Speicherung oder der Zugriff, der ausschließlich zu anonymen statistischen Zwecken verwendet wird. Ohne eine Vorladung, die freiwillige Zustimmung deines Internetdienstanbieters oder zusätzliche Aufzeichnungen von Dritten können die zu diesem Zweck gespeicherten oder abgerufenen Informationen allein in der Regel nicht dazu verwendet werden, dich zu identifizieren.
Marketing
Die technische Speicherung oder der Zugriff ist erforderlich, um Nutzerprofile zu erstellen, um Werbung zu versenden oder um den Nutzer auf einer Website oder über mehrere Websites hinweg zu ähnlichen Marketingzwecken zu verfolgen.