Was empfehlen Sie?
Das Smartphone auf Flugmodus stellen, nur ein- oder zweimal am Tag online gehen und Nachrichten schauen. Im schlimmsten Fall sollten Sie die WhatsApps von Freunden blockieren, die Panik machen.
Kann man durch die jetzige Situation psychisch krank werden?
Aus der Stress- und Traumaforschung wissen wir, dass viele Patienten eine erbliche psychische Verletzlichkeit haben und dass die psychischen Vorbelastungen eine Rolle spielen. Viele haben bereits stressige Situationen oder Traumata erlebt – zum Beispiel Gewalt oder einen Verkehrsunfall, die aber bisher keine grösseren psychischen Symptome ausgelöst haben.
Das kann sich aber in stressreichen Situationen ändern, etwa wenn sich der Partner von einem trennt, und führt dann dazu, dass die Betroffenen zum Beispiel eine handfeste Depression bekommen, Angststörungen oder eine Posttraumatische Belastungsstörung.
Ein solcher Stressor wie die jetzige Situation kann bei vorbelasteten Personen psychische Probleme auslösen oder verstärken.
Was kann man tun, wenn es einem trotz Freunden und Handy-Ausschalten schlecht geht?
Einen Psychologen oder Psychiater kontaktieren.
Man wartet man aber zum Teil monatelang auf einen Termin.
Ja, das ist eine schwierige Situation. Die Betroffenen können sich in Deutschland bei der DeGPT oder der Bundespsychotherapeutenkammer einen Therapeuten in ihrer Nähe suchen. Wir helfen, einen Spezialisten zu finden.
In der Schweiz bieten die Föderation der Schweizer Psychologinnen und Psychologen und die Schweizer Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie dies an. In der Therapie lernen die Betroffenen, mit Gefühlen der Ohnmacht oder mit der Angst umzugehen, diese zu akzeptieren und zu erfahren, dass sie aber auch wieder vorübergehen.
Was tun, wenn man so schnell keinen Experten findet?
Es gibt inzwischen einige Online-Therapie-Programme, die bei vielen Patienten gut ankommen. Wir sind gerade dabei zu prüfen, welche sich in Studien als wirksam erwiesen haben und werden Empfehlungen dann auf unsere Homepage stellen.
→ Hier gehts zu deprexis – dem Online-Therapieprogramm bei Depressionen
→ Hier gehts zu velibra – dem Online-Therapieprogramm bei Ängsten
Menschen, die einen Angehörigen oder einen Patienten mit Demenz pflegen, brauchen eh schon viel psychische Kraft – und jetzt kommen noch die Belastungen durch das Coronavirus hinzu. Was raten Sie Pflegenden?
Ich mache mir tatsächlich Sorgen um die Pflegenden. Sie müssen zusätzlich zu der aktuell herausfordernden Arbeit und vielen Fragen durch Betroffene und Angehörige mit ihren eigenen Ängsten klarkommen, sich gleichzeitig aber weiterhin liebevoll und engagiert um die Alzheimer-Patienten kümmern.
Pflegende sollten sich jetzt mehr denn je selbst gut um sich kümmern.
Selbstfürsorge ist das Stichwort: In sich hineinhören und überlegen, was einem nach der Arbeit gut tut. Joggen gehen, ein Buch lesen, etwas leckeres Kochen, mit Freunden telefonieren.
Ideal wäre, wenn sich das Pflegeteam einmal am Tag zusammensetzen würde. Die Pflegeleitung könnte die wichtigsten Neuigkeiten erzählen – seriöse Information sind das A und O. Sie sollte signalisieren, dass die Pflegenden sich jederzeit an eine Vertrauensperson wenden können, wenn sie mit der Situation nicht mehr gut klarkommen. Um sich gut um Patienten kümmern zu können und für diese da zu sein, muss Pflegepersonal auch auf sich selbst achten.
Was sind Alarmzeichen?
Wenn die Pflegenden unverhältnismässig müde sind, die Angst immer grösser wird, keine Lust mehr auf soziale Kontakte haben und depressiv verstimmt sind. Manche fühlen sich auch schuldig, vielleicht weil sie aufgrund des grossen Arbeitsdrucks und weniger Personal weniger Zeit mit den einzelnen Demenzkranken verbringen und weniger Körperkontakt haben als sonst.
→ Hier gibts Tipps für zu Hause für pflegende Angehörige
Aber es ist doch wichtig, gerade jetzt zu älteren Menschen so gut es geht Abstand zu wahren.
Ja, natürlich. Aber statt sich schuldig zu fühlen, erklärt man besser dem Demenzkranken, warum das so ist. Bei einer leichten oder mittelschweren Demenz kann man das sicher ganz gut vermitteln. Es geht gerade ein sehr ernstzunehmendes Virus um, das insbesondere alte Menschen krank machen kann.
Abstand gehöre jetzt zum Alltag, aber man habe den Betroffenen genauso gerne wie sonst immer und der Zustand würde auch wieder vorbeigehen. Sie als Journalisten können übrigens enorm dazu beitragen, dass Menschen die derzeitige Situation psychisch unbeschadet überstehen.
Inwiefern?
Indem Sie die Bevölkerung umfassend und seriös aufklären. Die aktuelle Gefahr kann in den Köpfen einiger Menschen deutlich grösser wahrgenommen werden, als es vorliegende Zahlen tatsächlich angeben.
Ich empfehle immer wieder einen Fakten Check. Das Robert-Koch Institut liefert beispielsweise Informationen und Empfehlungen, auf die wir uns verlassen können. Das gibt Sicherheit in diesen unruhigen Zeiten.
Vielen Dank für das Gespräch.