Alzheimer, in Stein gemeisselt - demenzjournal.com
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Die zweite Realität

Alzheimer, in Stein gemeisselt

Der Künstler Peter Bernhard hat den Preis «Die zweite Realität» erhalten. Deutsche Untertitel können Sie bei den Einstellungen (Zahnrad) einblenden. alzheimer.ch/youtube

Vor neun Jahren erschuf der Bildhauer Peter Bernhard im Auftrag des Demenz-Zentrums Sonnweid die Skulptur einer gesunden Hirnhälfte. Nun ist er selber an Alzheimer erkrankt – und hat die Krankheit in Sandstein gemeisselt.

Vor dem Wetziker Stadthaus steht neuerdings eine rätselhafte Skulptur. Röhren winden sich über einen sperrigen Brocken Sandstein, mal verlaufen sie schön geschwungen, dann werden sie unharmonisch und haben Bruchstellen. In den Stein gemeisselte weisse Striche verbinden sich zu geheimnisvollen Zeichen.

«Was hat es auf sich mit dieser Skulptur?», fragen sich wohl die Menschen, die an dieser Skulptur vorbeigehen. Der eine oder andere Einheimische wird darin die Formensprache des Bildhauers Peter Bernhard erkennen.

Der frühere Ingenieur hat schon immer gerne akribische Handwerkskunst dem expressiven Chaos gegenüber gestellt.

Mehr Akribie als Chaos strahlt die Skulptur aus, die seit 2012 vor dem Demenz-Zentrum Sonnweid in Wetzikon steht. Es handelt sich um eine sorgfältig aus Bollinger Sandstein gehauene Gehirnhälfte. Übrigens haben schon die Römer diesen grau-grünlichen Stein an den Ufern des Zürichsees abgebaut. Aus ihm besteht auch ein beträchtlicher Teil der Fassaden am Zürcher Paradeplatz.

Das Chaos hat nicht nur in Bernhards neuer Skulptur vor dem Stadthaus überhandgenommen, sondern auch im Kopf des Künstlers. Angefangen hat es vor gut fünf Jahren, als seinem Umfeld auffiel, dass er langsamer wurde und ungewohnte Mühen mit Rechnen und Erinnern bekundete. Es folgten Untersuchungen und 2017 die Diagnose Demenz.

Seine Krankheit hat Bernhard nun in Sandstein gehauen. «Die neue Skulptur soll das Schräge einer Demenz zeigen», sagt Peter Bernhard. «Am Anfang hat es schön geschwungene Linien, da ist es noch in Ordnung. Aber dann lässt die Ordnung nach, es bricht, zerfällt und löst sich teilweise auf. So ist es wohl im späteren Stadium der Krankheit zu erwarten, es passiert das, was man eigentlich nicht will.»

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Kurt Aeschbacher, Moderator und Verleger

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Der Sandstein passe gut zum Thema Demenz, findet Bernhard: «Etwas Grosses wird reduziert zu Sandkörnern und setzt sich dann wieder zusammen.» Bernhard braucht heute zunehmend Unterstützung im Alltag.

Seine Arbeit am Stein sei langsamer geworden, was auch seine Vorzüge habe, sagt der Künstler.

Nervig würden seine Defizite, wenn zum Beispiel der Meissel nicht auf Anhieb in den vorgesehenen Behälter passe. Oder wenn er ein Werkzeug nicht mehr finde.

Für sein Engagement und seinen offenen Umgang mit der Krankheit hat Bernhard nun den mit 10’000 Franken dotieren Preis «Die zweite Realität» der Stiftung Sonnweid erhalten. «Mit dem künstlerischen Teilen der eigenen Erfahrung leistet er einen wichtigen Beitrag zur Aufklärung der Öffentlichkeit», sagt Stiftungspräsident Urs Fischer.

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Gleicher Meinung ist Remo Vogel, der im Wetziker Stadtrat für das Ressort Soziales + Alter verantwortlich ist: «Wir freuen uns sehr, dass wir die preisgekürte Skulptur zentral in Wetzikon aufstellen können. So rücken wir Demenz einmal mehr in den Fokus. Damit möchten wir die Öffentlichkeit für dieses wichtige gesellschaftliche Thema sensibilisieren.»