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Filmprojekt

Die Reise des Bruno Sensei

Bruno Koller – ein Mann wie ein Baum. Das Credo des Karate-Meisters lautete: «Mach dein Karate und lass dich nie ablenken». Bild Fabian Biasio

Fabian Biasio war Schüler des Sensei Bruno Koller. Als dieser an einer Demenz erkrankte, machte es sich der Fotograf zur Aufgabe, seinen Karate-Meister filmisch zu begleiten – bis zum Ende.

Bruno Koller hatte sein Leben dem Kampfsport verschrieben. Er gründete zahlreiche Karateschulen, feierte Erfolge an wichtigen Wettkämpfen und lebte jahrelang in Asien. «Ich bin ein sturer, zäher Siech», sagte er von sich selbst.

Sensei Bruno Koller, 9. Dan, war einer der erfahrensten Karate-Instruktoren ausserhalb Japans. Nach seinem letzten Asienaufenthalt kehrte er 2009, als er 60 wurde, an seine alte Wirkungsstätte zurück – an die Budoschule Luzern. 

Alle seine Medaillen, Pokale und Auszeichnungen verteilte er in der Folge an die begeisterte Karatejugend. «Es gilt vorwärts zu schauen, Karate hart und selbstkrisch zu trainieren und auch zu studieren, damit ich der nächsten Generation ein lebendiges Karate weitergeben kann», schrieb er auf der Webseite des Clubs.

Er muss geahnt haben, was auf ihn zukam, denn im selben Jahr noch ereilte Ihn die Diagnose Alzheimer-Demenz.

Einer seiner Schüler war der heute 45-jährige Fotograf und Filmemacher Fabian Biasio. Von der Diagnose bis zu Bruno Kollers Tod im April 2018 begleitete er seinen ehemaligen Karatelehrer mehr oder weniger intensiv mit der Kamera. Gemeinsam mit dem Filmemacher Stefan Heiniger reduzierte er 80 Stunden Filmmaterial auf 90 Minuten Film. Jetzt kommt das Werk mit Unterstützung von Alzheimer Schweiz in die Schweizer Kinos.

Quelle Fabian Biasio/Vimeo

Ein Gespräch mit Filmemacher Fabian Biasio

alzheimer.ch: Herr Biasio, das Aussergewöhnliche an diesem Filmprojekt ist der lange Zeitraum der Entstehung. Gibt es andere prägende Merkmale?

Fabian Biasio: Da war vor allem die wachsende Freundschaft mit Bruno Koller, die dennoch ein Lehrer-Schüler-Verhältnis geblieben ist. Begonnen hatte das bereits 2003, da war seine Krankheit noch weit weg. Ich glaube es war diese Freundschaft, die mich immer wieder inspiriert hat. Dadurch war es auch möglich, filmisch diese Nähe zu Bruno zu erreichen.

Diese Nähe musste nicht ästhetisiert werden, sie war tatsächlich immer spürbar. Für mich war das ein Wunder, ein Geschenk, das aber nur möglich war, weil sich die Geschichte in meinem unmittelbaren Umfeld abgespielt hat. 

Wie hat sich die Beziehung zu Bruno Koller im Lauf der Jahre verändert?

Im Januar 2018, ein paar Wochen vor seinem Tod, ging ich ihn im Demenz-Heim besuchen. Für einmal hatte ich die Kamera nicht dabei. Bruno hatte sich wahnsinnig gefreut über diesen Besuch.

Aber eigentlich spielte es keine Rolle, ob ich mit oder ohne Kamera in seiner Nähe war, ich glaube die Kontinuität dieses Filmprojektes hat ihm einen gewissen Halt verschafft. Mit der Kamera nimmt man nicht einfach die Bilder, die da sind, sondern man nimmt Anteil, und das kostet Energie.

Ich habe Bruno nie geschont. Man musste ihn nicht schonen, er war schliesslich Karatemeister mit dem 9. Dan.

Ich wollte ihm nicht einfach nur ein Denkmal errichten. Oft, wenn er klare Momente hatte, fragte er nach mir. Er fühlte sich wohl bei mir und der Kamera, wir waren wahrscheinlich ein immer wiederkehrender Anknüpfungspunkt.

Sie hatten nach acht Jahren über 80 Stunden Filmmaterial beisammen. Welche Geschichte wollten Sie am Ende erzählen?

Das ist eine gute Frage, denn Ich hatte eigentlich nie ein richtiges Konzept. Ich wusste nur, dass ich jahrelang diesen Mann filmisch begleiten würde – das war mein einziger Plan.

Natürlich musste ich für die verschiedenen Eingaben an die Filmförderungsstellen auch eine konkrete Geschichte zu Papier bringen. Die ging dann etwa so:

Fabian Biasio.Bild PD

Ein international bekannter Karatemeister erhält mit 60 Jahren die Diagnose Alzheimer-Demenz. Sein Leben verändert sich zwar, doch die Krankheit gibt ihm auch die Chance, seine Beziehung zur Familie neu zu gestalten. Eine Art Läuterung findet statt, vom harten Kerl, der er früher war, hin zum sanften, goldenen Buddha.

Das war immer meine Idealvorstellung, in diese Richtung sollte der Film gehen. Ob mir das gelungen ist, müssen die Zuschauer beurteilen.

In einer Szene am Schluss des Filmes sitzt Bruno auf einem Stuhl, er hat alles vergessen, er sieht kaum mehr etwas. Das versinnbildlicht eigentlich den Status, den er erreicht hat, den er sich immer gewünscht hat, nämlich diese asiatische Form des gealterten, weisen Meisters, der verehrt und hoch gelobt wird, der aber nichts mehr tun muss.

Das ist ein sehr schönes Bild

Stefan Heiniger hat mir beim Sichten und Schneiden des Materials enorm geholfen. Auch dank ihm erhielt der Film seine Dramaturgie. Uns war einfach wichtig, keinen Schreckensfilm zu machen.

Wir wollten kein Horrorbild eines Demenzkranken zeichnen, sondern eine Entwicklung zeigen und das Verzeihen am Ende des Lebens.

Denn die Konflikte, die aufgebrochen sind, werden am Ende auch gelöst. Seine Ex-Frau brachte es in einem Interview auf den Punkt: Bruno sei im Verlauf der Krankheit viel weicher geworden.

Was hat diese Auseinandersetzung mit einem demenzkranken Menschen mit Ihnen gemacht? Sie waren ja hautnaher Zeuge seines Zerfalls.

Menschen mit Demenz haben immer eine Vergangenheit, vielleicht sogar eine schillernde, wie eben Bruno Koller – er lebte sein Leben. Man darf nie vergessen, dass er als Protagonist im Karate ganz oben war, bis der Antagonist Demenz in sein Leben trat und seine Karatekunst weitgehend zerstörte.

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Das hat mir gezeigt, dass die Krankheit jeden treffen kann, unabhängig vom Lebensstil. Durch die Nähe zu Bruno und die ständige Arbeit mit den Videoaufnahmen hat sich für mich die Krankheit ein wenig relativiert, denn ich erkannte und erkenne in ihm immer noch die gleiche Person.

Über das Alter an sich oder Demenz als Krankheit habe ich wahrscheinlich wenig gelernt. Ich kann ja nur erahnen, wie es ihm ging.

Ich glaube, dass man das selbst erleben muss, um es wirklich nachvollziehen zu können.

Hingegen habe ich gelernt, meine eigenen Tage wirklich zu schätzen. Ich gehe jeden Abend mit dem Bewusstsein ins Bett, dass wieder ein Tag meines Lebens vorbei ist und dass ich hochprivilegiert bin, den folgenden Tag wieder bei bester Gesundheit erleben zu dürfen. Dafür bin ich sehr dankbar.

Glauben Sie, Bruno würde den Film mögen?

Ich glaube, Bruno war sich bis zum Schluss immer bewusst, dass er gefilmt wurde, zumindest, dass ich mit der Kamera dabei war. Deshalb bin ich überzeugt davon, dass Bruno diesen Film mögen würde, diese Gewissheit habe ich. Seine Familie war beim ersten Screening jedenfalls tief berührt. Das ist für einen Filmemacher wohl das grösste Geschenk.

Quelle Youtube

www.tigerundbueffel.ch

Der Film wird unterstützt von Alzheimer Schweiz.