Von Doris Kreinhöfer, Körber-Stiftung Hamburg
Noch immer finden Anbieter kaum zufriedenstellende und «funktionierende» Antworten auf zum Beispiel Titel für Veranstaltungen: Ist es das Konzert «Für Menschen mit Demenz»? Oder besser «Für Menschen mit Demenz und Andere»? Muss man eher «Ein Konzert für Alle, auch für Menschen mit Demenz» schreiben? Oder schreibt man besser gar nicht, an wen sich das Konzert richtet?
Doris Kreinhöfer
Die Soziologin ist Programmleiterin im Bereich Alter und Demografie bei der Körber-Stiftung in Hamburg. Sie ist spezialisiert auf die Themen der Vulnerabilität im Alter und leitet Projekte zu den Themen Demenzsensible Gesellschaf und Leben mit dem Tod. kreinhoefer@koerber-stiftung.de
Warum ist das so schwierig? Auf der einen Seite soll keine Gruppe exkludiert werden. Wenn wir aber möchten, dass sie kommen, müssen sie direkt angesprochen werden, damit zu erahnen ist, dass die Bedingungen angepasst sind. Steht aber «Menschen mit Demenz» auf der Ankündigung, bleiben vielleicht die Anderen weg?
Es geht also nicht nur darum, dass Kulturanbieter die passenden Angebote kreieren, es geht hauptsächlich darum, dass ein gesellschaftliches Klima geschaffen wird, in dem wir nicht unterscheiden müssen, wer der Musik lauschen oder den Pinsel führen soll.
In Bezug auf Menschen mit Demenz und ihre Zugehörigen heit das: Die Gesellschaft, der Teil, der nicht viel weiss über Demenz, muss an das Thema herangeführt werden, damit sie den Rahmen bilden kann, in dem sich Menschen mit Demenz sicher bewegen können.
Denn: Menschen, die nicht von Demenz betroffen sind, haben die Möglichkeit, sich auf andere Personen einzustellen und sich in sie hinein zu fühlen. Umgekehrt ist das schwierig.
Umgekehrt bleibt nur ein Weiter wie bisher: Menschen mit Demenz werden an speziellen Orten versorgt und beschäftigt und haben wenig mit der restlichen Gesellschaft zu tun. Wie dem entgegengewirkt werden kann, soll an einem praktischen Beispiel aus Hamburg in diesem Artikel gezeigt werden.
Kulturelle Angebote für Menschen mit Demenz in Hamburg
In den letzten zehn Jahren hat sich sehr viel bewegt. Demenz ist als Thema identifiziert worden, das eine breitere gesellschaftliche Relevanz hat. Es haben sich sowohl lokal als auch auf Bundesebene Netzwerke gebildet, viele grossartige Initiativen über das ganze Land machen tolle Arbeit.
Vor allem hat die Beratungs- und Hilfelandschaft einen wirklich beachtlichen Sprung nach vorn gemacht. In Hamburg ist das vor allem dank der Landesinitiative Demenz der Stadt Hamburg und den vielen darin tätigen Institutionen vorangebracht worden. In vielen Arbeitsgruppen wurde und wird über Jahre an noch immer nicht gelösten Themen gearbeitet.
2015 kamen einige Engagierte zusammen, die das Thema der kulturellen Teilhabe als Leerstelle empfanden.
So entstanden musikalische Angebote, einige Hamburger Museen machten sich auf den Weg, Konzepte zu erstellen, Mitarbeiter:innen schulen zu lassen und schliesslich Führungen für Menschen mit Demenz in ihr regelmäßiges Programm aufzunehmen.
Offene Ateliers, Bewegungs- und Tanzangebote und vieles mehr sind entstanden. Nicht alles wurde neu gedacht, einiges gab es schon – bloss war das kaum bekannt. Bis hierhin war dies ein erfolgversprechender Verlauf.
Das Problem und der Versuch einer Lösung
Nun gab es also eine Auswahl an Angeboten und alle warteten auf den Zulauf. Doch der fiel geringer aus als erwartet. Es wurden zwei Anläufe genommen, die Angebote auf digitalen Plattformen zu listen, die Anbieter selbst rührten die Werbetrommel – doch die Angebote blieben deutlich zu gering frequentiert.
Gleich zwei Probleme entstanden damit: Angebote, die nicht angenommen werden, werden über kurz oder lang wieder eingestellt und wenn sich eine Gruppe von Menschen zum Vorantreiben eines Themas zusammenfindet, muss sich auch ein Erfolgserlebnis einstellen, damit der Gruppe nicht die Energie ausgeht.
Nach wie vor war klar, dass der Bedarf vorhanden ist.
Der Bedarf nach gemeinsamen Unternehmungen und dem Dazugehören ist vorhanden – trotzdem nehmen diese Menschen die Angebote nicht an. In einer Krisensitzung wurden die Uhren auf null gestellt und es wurde versucht, noch einmal von vorn zu denken. Es sind drei wesentliche Faktoren identifiziert worden:
- Menschen wissen nicht, dass solche speziellen Angebote existieren – sie suchen sie auch nicht.
- Menschen mit einem vielleicht abweichenden Verhalten und ihre Zugehörigen haben Sorge, «draussen» nicht willkommen zu sein.
- Der Weg bis zu einem Angebots-Ort ist an sich schon eine Herausforderung.