Im Zusammenhang mit der Genderfrage wird auch viel über Sprache diskutiert. Obwohl ich für vollständige Gleichberechtigung bin, tue ich mich schwer mit der gendergerechten Sprache. Es fing an mit den Pflegenden und Betreuenden, dann kamen die Bewohnenden, bald haben wir auch die Malenden, Kochenden und Autofahrenden. Ich kann diese «Endens» nicht mehr hören.
Es ist ganz essenziell, ob ich sage «nenne mir zehn Dichter» oder «nenne mir zehn Dichterinnen», deshalb brauchen wir eine gendergerechte Sprache. Mir gefällt die Doppelpunktlösung, also «Dichter:innen».
Solche Satzzeichen sind doch Stolpersteine!
Das ist nur eine Ausrede. Wir können einen Text lesen und verstehen, obwohl nur der erste und letzte Buchstabe richtig und der Rest des Wortes durcheinandergelöffelt ist. Unser Hirn ist so cool! Die Diskussion köchelt jetzt schon 25 Jahre.
Die Diskussion hilft uns, zu überdenken, was gerecht oder ungerecht ist.
Mittlerweile haben wir sogar Vornamen, die nicht sofort verraten, wessen Geschlechts jemand ist. Auch deshalb ist es notwendig, dass wir gendern. Auf meiner ersten beruflichen Visitenkarte stand noch «Redakteur».
Wirklich?
Die musste eingestampft werden, weil ich es nicht akzeptierte. Damals hiess es auch, gendern gehe beim Radio nicht, wir hätten keine Zeit dazu. Heute macht unser ZIB-Anchorman und Starreporter Armin Wolf die wunderbare Pause – er sagt «Lehrer innen». Wir haben so viel gelernt!
Wir haben sogar das Wort Demenz gelernt, statt senil, schrullig oder verkalkt zu sagen. Also können wir nicht sagen, dass wir das Gendern nicht lernen können. All diese Diskussionen, die so mühsam sind, bringen etwas in Gang. Deshalb sollten wir sie weiterhin führen.
Da gebe ich dir recht. Sprache erzeugt Haltung, und Haltung erzeugt Sprache!
Ja! Demenz wird noch immer als Schimpfwort gebraucht. Ein Parlamentarier bezeichnete neulich den Finanzminister als «dement». Wenn einer etwas vergessen hat, wird gesagt: «Schau her, der Alzheimer schlägt zu.»
Im Volksmund ist Demenz noch immer die Krankheit derer, die lese- und lernfaul waren.
Meine Mutter sagte über die Demenz ihrer Schwägerin: «Mein Gott, die hat halt nie gelesen.» Es wird als Strafe empfunden. Vor ein paar Jahren kursierte auch die Theorie, Demenz sei die Strafe fürs Verdrängen.
Täglich gehen auf unserer Redaktion Informationen ein, was alles gegen Demenz helfen soll: Joggen, nicht rauchen, Sprachen lernen, Beeren essen, unter die Leute gehen usw. Zu Ende gedacht bedeutet das: Wer eine Demenz hat, ist selber schuld. Was löst dies bei den Betroffenen aus?
Es ist fürchterlich. Sie werden nicht ernst genommen. Im Freundeskreis oder im Wirtshaus werden sie nicht zu ihrer politischen Meinung befragt. Sie sind ja dement, also nicht politisch. Sie werden überhaupt nicht mehr nach ihrer Meinung gefragt.