Meine Lieben
Dass in unserem Gesundheitswesen einiges im Argen liegt, kann niemand bestreiten. Die hohen Kosten sind eines der Probleme. Und immer, wenn es ums Geld geht, wird auch die Politik aktiv. Böse Zungen könnten jetzt behaupten, es läge daran, dass es auch um das Portemonnaie der Politikerinnen und Politiker geht.
Aber ich bin ja nicht böse, und meine Zunge ist immer ganz zahm. Um die Motive, weshalb sich die Politik für das Gesundheitswesen interessiert, geht es mir auch nicht. Denn das ist mir ziemlich gleichgültig.
Hauptsache, die Politik kümmert sich endlich darum.
Mir geht es um das wie. Und dort gibt es leider sehr viel Luft nach oben. Seit ich mich mit Gesundheitspolitik beschäftige, beobachte ich, dass vor allem eines betrieben wird: Ich nenne es «Pflästerlipolitik». Diese Strategie sieht wie folgt aus:
- Man (und auch frau) schaue, wo im Gesundheitswesen viel Geld benötigt wird. Nur so an der Oberfläche, sonst könnte es sein, dass man einem Lobbykollegen auf die Füsse tritt.
- Man pflücke einen solchen Bereich heraus, löse ihn von allem, was noch dran hängt, denn sonst wird es kompliziert.
- Man wählt die auf den ersten Blick einfachste Lösung und rühmt sich dessen, etwas getan zu haben, um die Gesundheitskosten zu senken. Die Veränderung und was damit im Gesamten bewirkt wird, ist zwar minim und zieht bestimmt irgendwie Konsequenzen nach sich (meist ethische), für wirkliche Veränderungen fehlt jedoch der Mut.

Das jüngste Beispiel dieser Politik hat der Schweizer Nationalrat geliefert. Es wurde festgestellt, dass die Spitalnotfälle zu viele so genannte Bagatellen behandeln müssen. Dies ist tatsächlich ein Kostentreiber unseres Gesundheitswesens.
Die Lösung: Eine Notfallgebühr, die vor der Behandlung bezahlt werden muss und nur zurückerstattet wird, wenn eine stationäre Aufnahme erfolgt. Kurzsichtiger geht es schon fast nicht mehr. Zum einen ist nicht jede Behandlung, die nicht in einer stationären Aufnahme mündet, ist eine Bagatelle. Zum anderen sind wir hier schon wieder mitten in einer ethischen Debatte.
Was ist mit jenen Menschen, welche die Gebühr nicht bezahlen können? Werden die dann, wie es in anderen Ländern bereits üblich ist, abgewiesen und ihrem Schicksal überlassen? Und dann stellt sich mir noch eine ganz praktische Frage: Wer zieht diese Gebühr ein? Das ohnehin schon überlastete Pflegepersonal?
Auch hier zeigt sich wieder einmal deutlich, dass nicht ausreichend nach den Ursachen für dieses Problem gesucht wurde. Den Menschen wird zuerst einmal Boshaftigkeit oder zumindest Faulheit unterstellt. Die Vorstellung ist: Es wird wegen jedem Bobo in den Notfall gerannt.
Ich denke jedoch, dass zwei Gründe gibt, die Menschen in den Notfall treibt: Angst und Unterversorgung. Mit Unterversorgung meine ich, dass einem manchmal einfach keine Wahl bleibt, als mit seiner Bagatelle in den Notfall zu gehen.
Wenn Sie sich nachts um zehn Uhr mit einem Küchenmesser dermassen in die Hand schneiden, dass genäht werden muss, können Sie nicht bis am nächsten Morgen neun Uhr warten, bis Ihr Hausarzt wieder erreichbar ist.
Ein ärztlicher Notfalldienst ist vielerorts nicht mehr existent.
Der Apotheker oder die Apothekerin ist des Nähens nicht mächtig. Die (von mir übrigens hochgeschätzten und favorisierten) City-Notfälle sind um diese Zeit nicht mehr geöffnet. Es bleibt Ihnen gar nichts anderes übrig, als mit ihrer blutenden Hand, die zweifellos eine Bagatelle ist, in den Notfall zu gehen.
Und genau da, sehe ich den ersten richtigen Lösungsansatz. Was wäre, wenn die Notfälle zu Zentren ausgebaut würden? Wenn es ein «Hausarztzentrum» und eine Notfallstation am selben Ort gäbe? Wenn diese eine gemeinsame Pforte hätten, wo Pflegeexpertinnen und -experten die Erstuntersuchung machen würden.