Ich haste durch den Flur, um nachzusehen, ob bei dir alles in Ordnung ist, und hinter meiner Stirn sitzen Sätze, von denen ich nicht mehr weiß, ob ich sie wirklich gesagt habe. Es ist, als ob eine Fremde aus mir herausspräche.
Und dann renne ich davon! Ich ertrage es nicht mehr und renne auf die Dorfstraße, renne zur Bäckerei und in den Laden, und blende aus, dass du allein zuhause bist.
Dem tagelangen, wochenlangen Antworten auf Fragen, auf die immer gleichen Fragen, in aufsäßigem Ton gestellten Fragen, renne ich davon. »Welche Schuhe muss ich anziehen? Soll ich wirklich diese Schuhe anziehen? Weshalb nicht die anderen Schuhe? Warum gerade diese Schuhe? Warum muss ich eine Jacke anziehen?« Und so weiter, und so weiter …
Weglaufen, davonrennen, frei werden. Und nein! Es kommt kein schlechtes Gewissen auf! Es kommt Wut auf – eine erwachsene Wut, die dich als Erwachsenen anspricht! »Bei dir weiß er, dass du ihn nicht fallen lässt«, sagt die Schwägerin später am Telefon. »Deshalb reagiert er in seiner Abhängigkeit so aufsässig.«
Doch die Scham versagt zu haben, die große Aufgabe des Schicksals nicht gemeistert zu haben, ist trotzdem da.
Ich fliehe meinen Blutsbruder, meinen Liebsten, meinen Mann. Doch mit dem Abstand meiner Flucht erkenne ich auch, wie in umgekehrter Reihenfolge deine Fähigkeiten verloren gehen, Schritt für Schritt. Du kehrst zurück ins Fragen, ins Hinterfragen von Alltäglichem, und nimmst mich in die Pflicht, dir Halt zu geben. Und dabei habe ich immer noch die Hoffnung, dass wir vom Schlimmsten verschont bleiben, solange wir nur zusammen sind.