Man fühlt sich allein gelassen
Eine weitere Herausforderung ist es, die nötige Unterstützung zu erhalten, die man bräuchte. Ob Pflegekasse, behandelnde Ärzte oder sonst wer … man fühlt sich ziemlich allein gelassen mit all dem, was da als Angehöriger und Pflegender auf einen einprasselt.
Wenn ich merke, dass ich am Limit bin, dann hilft mir mein Glaube. Ich bin Buddhist. Ich nehme aus diesem Glauben und im speziellen den Worten des Dalai Lamas sehr viel Kraft und Zuversicht. Immer wieder für eine kurze Zeit in mir zu ruhen, gibt mir die Kraft für all das, was da noch kommt.
Wenn ich in die blauen Augen meiner Frau schaue, dann spüre ich die Verbundenheit und Liebe zwischen uns. Auch das gibt mir Kraft und Zuversicht.
Wir haben einige Freunde. Viele von ihnen sind aber ebenfalls in schwierigen gesundheitlichen Situationen. Ich spreche daher eher weniger über meine Sorgen. Den richtigen Freund, mit dem ich durch dick und dünn gehen würde und dem ich alles anvertrauen würde, habe ich leider nicht.
Früher in meiner Jugendzeit gab es den. Wir teilten fast alles miteinander. Wir spielten beide im selben Verein. Mit dem Älterwerden änderten sich leider die Interessen. Man heiratet, zieht in eine andere Stadt und hat nicht mehr so viel Zeit für Freunde. Man verliert sich aus den Augen, was ich sehr bedauere. Aber so ist nun mal das Leben.
Seit gut einem Dreivierteljahr nutze ich dann und wann die Verhinderungspflege, um gewisse Dinge erledigen zu können.
Dankbarkeit und Demut trotz Demenz
Die vielen Erkrankungen meiner Frau und im speziellen ihre Demenz, meine gesundheitlichen Probleme und die Coronazeit (wir haben es jeder zweimal bekommen), haben mir gezeigt, dass wir alle wieder lernen müssen etwas dankbarer und demütiger zu sein.
Die Welt ist in einem Wandel und nichts wird mehr so sein, wie es einmal war. Dies ist für die meisten von uns Menschen verbunden mit vielen Problemen und Einschränkungen. Und dennoch sollten wir dankbar sein für das, was viele von uns haben und andere etwa nicht: Gesundheit, ein Dach über dem Kopf, etwas zu essen.
Gerade auch die Demenz meiner Frau hat mich dankbar gemacht, für jeden einzelnen Tag, den ich mit ihr verbringen und leben darf. Ich bin dankbar dafür, wenn sie morgens aufwacht und mich noch erkennt. Und wenn der Tag gekommen ist, an dem sie nicht mehr weiß, wer ich bin … dann weiß ich aber immer noch, wer sie ist.
Ich bin ihr nicht böse – es ist nicht sie, es ist die Demenz
In schwierigen Momenten, wie in den Nächten, versuche ich ruhig zu bleiben und mich der Situation entsprechend anzupassen. Mit der Zeit lernte ich, dass das nicht meine Frau ist, sondern ihre Freundin, die Demenz. Daher bin ihr für nichts böse, was da geschieht. Es ist nicht sie. Es ist die Demenz.
Das sollten sich alle Angehörigen, die einen Menschen mit Demenz kennen oder pflegen, immer wieder vor Augen führen: Es ist die Demenz!
Ich wünsche mir von unserer Gesellschaft die nötige Akzeptanz und den Respekt, den jedes Lebewesen verdient. Ich wünsche mir mehr Empathie und fachliches Wissen von Ärzten im Umgang mit Menschen mit Demenz und dass man Angehörige, Freunde und Bekannte, die mit einem an Demenz erkrankten Menschen viel Zeit verbringen, mehr in alle Entscheidungen mit einbezieht.