Schon wieder im Corona-Dilemma
Blöderweise kommt mir dieses Vertrauen gerade beinahe abhanden. In der Politik reden sie davon, dass man doch jetzt bitteschön mal zu Hause bleiben solle statt zu verreisen oder Partys zu feiern. Dass man möglichst Abstand halten und auf Kontakte ausserhalb der Familie verzichten solle.
Es stünden schwierige Monate bevor, mahnte Angela Merkel. «Das entscheiden wir alle durch unser Handeln», fügte sie hinzu.
Und ich stecke schon wieder in dem gleichen Dilemma wie im Frühjahr diesen Jahres, als ich nicht wusste, wann wir uns wiedersehen.
Nun war ich schon ein paar Wochen nicht mehr bei dir. Wir halten Kontakt, ja, sogar mehr als zuvor. Wir haben tatsächlich ein Tablet gefunden, das Papa bedienen kann und ich geniesse es, dich lächeln zu sehen. Aber das alles ersetzt natürlich nicht die echte Nähe und Geborgenheit, die ich geben könnte, wenn ich bei dir bin.
Und das nimmt Papa auch keine Last bei der täglichen Pflege und Arbeit im Haushalt ab. Der Besuch bei euch ist längst überfällig und ich freue mich schon so darauf. Aber darf ich jetzt überhaupt noch zu euch fahren?
Die Corona-Fakten und was das bedeutet
Die Neu-Ansteckungsrate macht mich unruhig. Das Robert-Koch-Institut vermeldete am 19. Oktober 4325 Neu-Infektionen, am 23. Oktober waren es schon 11’242. In München liegt seit über einer Woche der 7-Tages-Inzidenz-Wert über dem kritischen Wert von 50. Seit ein paar Tagen gilt eine Maskenpflicht auf öffentlichen Plätzen und Kontaktbeschränkungen von maximal fünf Personen.
Meine beiden Schulkinder tragen von morgens bis nachmittags ihre Masken, auch in der Grundschule ist das nun Pflicht.
Der Kindergarten war für einen Tag geschlossen, weil es einen Verdacht gab. Ich habe versucht, optimistisch zu bleiben, aber die neuen Entwicklungen nehmen mich mit. Mir fällt es schwer, ruhig zu bleiben. Ich mache mir Sorgen um dich und Papa.
Während sich in den vergangenen Wochen vor allem jüngere Menschen infizierten, nehmen aktuell die Erkrankungen älterer Menschen zu. Und wie zum Beispiel der Neurologe Richard Dodel im Video-Format Nachgefragt der Apotheken Umschau erklärte, zeigen Menschen mit Alzheimer häufiger einen schweren Verlauf von Covid-19. Dass du dich mit Corona infizierst, möchte ich auf keinen Fall. Es gilt, dich und Papa zu schützen.
Besuchen oder nicht besuchen?
Heisst dich zu schützen auch, dass ich dich nicht besuchen sollte? Im Frühling war ich davon überzeugt, dass es die einzige Möglichkeit sei und ich habe versucht, euch auf andere Art und Weise nah zu sein. Aber jetzt denke ich: Nein, das geht auf keinen Fall.
Denn ich erinnere mich auch, wie anstrengend die Zeit für Papa war, weil die Tagespflege geschlossen war und er alleine den 24-Stunden-Pflege-Job erledigt hat. Das möchte ich nicht noch einmal. Nicht für ihn, aber auch nicht für dich.
Liebe Mama, du hast vermutlich nicht verstanden, was dieses neue Coronavirus ist und welche fatalen Auswirkungen es auf den Körper haben kann. Aber du hast die Unruhe und die Anspannung gespürt, die es verbreitet hat. Und ich glaube, dass dir auch die netten Pflegerinnen in der Tagespflege gefehlt haben, ein anderes Umfeld, in dem du gezielt gefördert wirst in dem, was du noch kannst.