Unser Törn ins Vergessen (19) von Birgit Rabisch
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Unser Törn ins Vergessen (19)

Viele Johnnys werden beerdigt

Bernd Martens auf seinem Schiff.

Was wohl in Bernds Kopf vorgeht? Mit Logik lässt er sich nicht von seinen Plänen abbringen. Bild privat

Birgit kann mit ihrem Bernd nicht wie früher kommunizieren. Der will nämlich ständig zur Beerdigung seines Vaters Johnny, der vor 25 Jahren verstorben ist.

4. November 2022

Hurra, es hat geklappt! Gleich dreimal habe ich gestern deinen unauffindbaren Geldbeutel mit dem Key Finder gefunden. Außerdem konnte ich einen hilfreichen Tipp zur Kommunikation mit Menschen mit Demenz erfolgreich anwenden.

Wie unsere Kommunikation nicht (mehr) funktioniert:

Du: Mein Bruder hat gerade angerufen. Johnny ist gestorben. Ich soll nach Finkenwerder zur Beerdigung kommen. Ich muss los!

Ich: Johnny ist doch schon vor 25 Jahren gestorben und ist längst beerdigt.

Du: Das war ja nur der erste Johnny. Es gibt inzwischen aber ganz viele Johnnys. Das ist ja auf Finkenwerder inzwischen ein Beruf.

Meine Antwort mit der zutreffenden Sachinformation ist erkennbar nutzlos und hält deinen kreativen Phantasmen nicht mehr stand. Bewährt haben sie dagegen aufschiebende Antworten:

  • »Vorher musst du aber noch was essen.«
  • »Noch ist es viel zu dunkel/zu früh am Morgen/zu spät am Abend.«
  • »Lass uns vorher noch einen Tee trinken.«
  • »Die Beerdigung ist auf morgen verschoben.«

Diese Antworten haben mit der Wirklichkeit nichts zu tun, gehen aber auf deine Wirklichkeit ein. Du bist beruhigt, weil du erstmal nicht handeln musst, und ich kann deine Aufmerksamkeit behutsam auf etwas anderes zu lenken. Meine Masterantwort auf das wiederkehrende Drama Johnny muss beerdigt werden lautet also: Später.

7. November 2022

Zurück zur Zeit unseres Kennenlernens. Dein erster Eindruck bei deinem ersten Besuch in meiner Wohnung war: Hier stinkt’s! Offenbar hatte ich das tägliche Reinigen des Katzenklos vergessen. Später hast du oft gesagt, das sei wahrlich ein Härtetest für deine Liebe gewesen. Du hast dich aber nicht abschrecken lassen und hast die Wohnung mit einem Lächeln betreten.

Mein Kater Lo Po hat dein Wohlwollen dann sehr schnell erobert, obwohl du bis dahin von Haustieren nichts wissen wolltest. Lo Po hat sich, während wir den Rotwein tranken, den du mitgebracht hattest, einfach auf deinem Schoß eingekringelt. Dir war das ein bisschen unheimlich, denn so ein Vieh hatte doch Krallen und die Zähne, die er dir beim Gähnen zeigte, sahen auch ganz schön spitz aus. Ich aber war ganz begeistert und habe bestimmt etwas ausgerufen wie: »Ein absoluter Vertrauensbeweis! Der mag dich!«

Borgit Rabisch und Bernd Martens auf dem Segelschiff Timpe Te.

Unser Törn ins Vergessen (18)

Die Liebe kam beim Italiener

Bei einem gemeinsamen Arbeitsdienst auf der Hamburger Literaturpost lernten sich Brigit und Bernd kennen. Für Bernd war es Liebe auf den ersten Blick, … weiterlesen

Dir war jedenfalls schnell klar, dass du dich der Ehre würdig erweisen und stillhalten musstest, sonst wäre dir der Weg zu mir garantiert versperrt. Du hast dann auch fleißig das seidige Katerfell gestreichelt, obwohl dir eigentlich der Sinn danach stand, endlich mich zu streicheln. Doch ein jegliches hat seine Zeit, und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde.

Du hast dich nicht von deinem Kurs abbringen lassen, hast mich mit der dir eigenen Sturheit weiter umgarnt, notfalls auch mit Seemannsgarn. Du hast mir von deinem Segelboot erzählt, das im Finkenwerder Rüschkanal lag, hast mich eingeladen, doch mal einen kleinen Törn mitzumachen, zum Neßsand, der verwunschenen, wilden Elbinsel. Wer konnte da nein sagen? Ich nicht.