1. Februar 2020
Warum hast du schließlich abgemustert? Noch heute schimpfst du über den Dünkel der Offiziere, die an Bord eine eigene Kaste bildeten und selbst die Mahlzeiten nicht mit der Mannschaft gemeinsam einnahmen, sondern schön separat in der Offiziersmesse. Auch untereinander wurde höchster Wert auf die Hierarchiestufen gelegt. Der Erste Ingenieur blickte auf den Zweiten herab und der auf den Assistenten.
Jedenfalls war das damals so. Gibt es auch heute, in Zeiten stark verkleinerter Mannschaften auf den Containerschiffen, eine separate Offiziersmesse? Keine Ahnung, aber ich fürchte, da hat sich nichts geändert. Wie auch immer: Nachdem du noch eine Zeitlang als Alleinmaschinist im Lärm und Gestank des Maschinenraums des kleinen Frachtschiffs Martha Friesecke die Nord- und Ostsee befahren hattest, reichten dir die Bärbeißigkeit und die Schimpfkanonaden des Kapitäns, die amüsant nur in Comics sind.[1] 1969 stand deine Entscheidung fest: Du würdest deinen Weg an Land weitergehen.
Beruflich hat deine maritime Vergangenheit damals geendet, aber privat bist du immer ein »Wassermann« geblieben, wie Jan Delay ihn beschreibt:
Also wenn ihr mich sucht
Ich bin am Wasser, Mann
… Ja, ihr findet mich
Da, wo’s windig ist
Wo die Wellen brechen
Sonnenbrille im Gesicht … Lifestyle Maritim
Das is was ich lieb
… Denn ich fühl mich zuhaus
Wo es blau ist und rauscht
Und das Möwengeschrei
Alles Böse vertreibt …
Und jetzt wollte, jetzt musste ich dich überzeugen, unseren Jollenkreuzer Timpe Te zu verkaufen, das Boot, das bis zur Mastspitze voller Erinnerungen an unser Leben, Lieben und Schreiben steckte? Wie sollte das gehen?
3. Februar 2020
Meine einzige Chance war, es auf meine Kappe zu nehmen. Also klagte ich immer wieder, meinen arthritischen Fingern bekomme die Kälte und Feuchtigkeit an Bord gar nicht gut und mein Rücken tue vom gebückten Stehen in der Kajüte weh. Wie immer, wenn es um meine Gesundheit ging, warst du sehr besorgt.