Das einfache Leben des Rudi Assauer - demenzjournal.com

Konfetti im Kopf

Das einfache Leben des Rudi Assauer

Rudi und Bettina Assauer

Rudi Assauer und seine Tochter Bettina auf der Kampfbahn am Katzenbusch in Herten, wo Rudi einst mit dem Fußballspielen begonnen hatte. Bild Michael Hagedorn

Michael Hagedorn begleitete die Schalke-Legende Rudi Assauer in seinen letzten Lebensjahren mit der Kamera. Er traf auf einen Menschen, der im Reihenhaus lebte und die einfachen Dinge schätzte.

»Rudi! Rudi!«. Mit lauten Sprechgesängen wurde die deutsche Fußballerlegende Rudi Assauer zu seinen erfolgreichsten Zeiten immer wieder von den Anhängern gefeiert. Damals schon, auf dem Höhepunkt seiner Popularität, in seinen letzten großen Jahren als Manager des FC Schalke 04, wurden auch die ersten Anzeichen dessen immer deutlicher, was dann die letzten Jahre seines Lebens so maßgeblich prägen würde: Alzheimer

Als ich Rudi Assauer im Sommer 2003 im Rahmen eines Fotoprojekts in der Schalker Arena traf, wo er einem weit angereisten Fan, einem Mann mit einer Demenzdiagnose, den großen Wunsch erfüllte, einmal ein Heimspiel seines Lieblingsvereins live zu erleben, und wo er mit ihm gemeinsam, jeder mit einer Zigarre in der Hand, fürs Foto posierte, da konnte ich nicht ahnen, dass uns jenes Thema Demenz Jahre später auf so intensive Weise wieder zusammenführen würde. 

Dieses Foto entstand an dem Tag, an dem wir uns nach gut neun Jahren wiedersahen, mit seiner Tochter Bettina in der »Kampfbahn am Katzenbusch« in Herten, wo er als junger Mann zu kicken begann. Rudi – so ziemlich jeder nannte ihn beim Vornamen – lebte inzwischen bei ihr in ihrem Reihenhaus um die Ecke, nur wenige Kilometer von der Arena entfernt, die er bauen ließ und die so etwas wie sein physisches Vermächtnis ist. Seine fortschreitende Demenz hatte es nicht mehr zugelassen, dass er weiterhin allein für sich sorgte. Bettina nahm ihn bei sich auf, war bedingungslos für ihn da und tat alles, um ihm ein gutes und lebenswertes Leben zu ermöglichen.

Noch immer war er selbstverständlich bei jedem Heimspiel seiner Schalker dabei, auf seinem Stammplatz, wie immer im schicken Anzug und in frisch geputzten Schuhen, die Haare adrett gekämmt. Stil hatte er wie eh und je, auch wenn sich sein Leben grundlegend verändert hatte und weiter verändern würde. 

«Es macht Menschen krank, wenn sie mit ihren Problemen allein gelassen werden. Deshalb ist es gut, dass es demenzjournal.com gibt.»

Gerald Hüther, Hirnforscher und Bestsellerautor

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Der Macher, als den er sich früher inszenierte, und der Macho, als der er für viele galt, hatten Platz gemacht für einen stillen, sensiblen Mann, der die einfachen Dinge des Lebens zu lieben gelernt hatte: Eine Bratwurst in der Halbzeitpause, Fußball schauen auf dem heimischen Sofa, das lange Ausschlafen in blauweißer Bettwäsche. Ab und zu natürlich auch weiterhin die für ihn typische Zigarre.

Im Laufe von sechseinhalb Jahren bis zu seinem Tod im Frühjahr 2019 habe ich Rudi und Bettina immer wieder besucht und durfte mit teilnehmen an dem einerseits ganz normal gewordenen Leben eines Idols, das sich andererseits durch die Demenz quasi auf den Kopf gestellt hatte. Der wahre Kern des Menschen Rudolf Assauer schien immer mehr zu Tage zu treten, jener stille Herzensmensch, der früher hinter der erfolgreichen Fassade des Machers verschwunden war.

Aber Rudi war all die Jahre über auch ein Freund des Volkes geblieben. Nachdem er seine letzte Reise angetreten hatte, nahmen die einfachen Menschen des Ruhrgebiets auf ihre Art von ihm Abschied. Die Zeitungen und sozialen Medien waren voller Dankes- und Abschiedsbotschaften: »Glückauf, Rudi! Gute Reise!«

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