Andere Aspekte der Angst kann ich weniger gut beeinflussen. Doch da steht ein Satz im erwähnten Buch, der mich anspringt: «Wenn alles andere jenseits der Kontrolle zu liegen scheint, sogar dann hat man die Macht, seine eigene Haltung gegenüber seinem Schicksal zu kontrollieren.»
Dieser Satz begleitet mich seit ein paar Tagen. Er eröffnet mir Handlungsmöglichkeiten. Ich kann etwas tun, sagt mir der Satz, ich kann meine Haltung ändern oder anpassen. Ob das heisst, dass ich den Tod akzeptiere oder nicht, ob das heisst, dass ich mein Schicksal annehme, oder mich dagegen wehre:
Wichtig ist, dass ich mir meine Haltung bewusst mache. Dies hilft mir, mit dem mir zugewiesenen Schicksal zu leben.
Ob es diese bewusste Haltung ist, die ich an anderen Menschen bewundere? Menschen, die sich in ihre Krankheit schicken und sich doch nicht aufgeben, Menschen die dem Tod nahe sind und ganz bewusst noch das tun, was ihnen möglich ist.
Ist es das, was mit Resilienz gemeint ist? Früher nannte man das Seelenstärke. Sie ist es, die durchs Leben hilft und den Gedanken an den Tod erträglich macht.
Dossier: Danach. Abschied nehmen
Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen nehmen im Verlauf der Krankheit von vielem Abschied. In diesem Dossier äussern sich Angehörige und Fachleute über Vergänglichkeit, Leben im Moment, Schuldgefühle und die Zeit nach dem Tod.
«Man kann sich mit seinem Sterben nicht befassen. Den Tod kann man sich nicht vorstellen, auch nicht wenn man sehr alt ist. Aber man spürt, dass man dem Ende näher ist.»5 Dies sagt die Schweizer Schriftstellerin Laure Wyss mit 86 Jahren.
Spüren, dass man sich dem Ende nähert – oder wie der Literaturnobelpreisträger Elias Canetti in einem Notat schreibt: «Den Punkt verzeichnen, an dem man den Tod hinnimmt.»6 Den Tod hinnehmen wäre das Gegenteil von nicht-akzeptieren. Ob das jemals gelingt? Und ob dieser Punkt auszumachen wäre im Alltag, oder ob er, wenn er sich zeigt, nicht einfach unbeachtet vorüber geht?
Mehr Fragen als Antworten rund um den Tod. So viele Fragen wie im Büchlein7 des Künstlerduos Peter Fischli und David Weiss, das gänzlich aus Fragen besteht, absurden und alltäglichen, tiefsinnigen und unsinnigen.
Geht man beim Einschlafen durch eine Wand? Ist alles ein Traum? Und die Frage, die wieder zurück zum Tod führt: Gibt es die Welt auch ohne mich? Die allerletzte Frage, die sich mir nun stellt, steht nicht in dem Büchlein: Heisst den Tod akzeptieren, zu akzeptieren, dass es keine gültigen Antworten gibt?