Ab 2004 beging der damals 54-jährige Martin Hauser bei seiner Arbeit als Logistiker immer häufiger Fehler. 2006 konnte er die Steuererklärung nicht mehr ausfüllen. Seine Frontotemporale Demenz schritt voran – und damit auch schwere Persönlichkeitsveränderungen. Zunehmend verhielt er sich starrköpfig und aggressiv. Bald konnte er sich kaum noch orientieren, bewegte sich unsicher und stolperte oft.
Dank der Begleitung seiner Ehefrau Monika Hauser* konnte er noch lange seinen Bewegungsdrang ausleben und Sport treiben. Vor sechs Jahren war es nicht mehr möglich, Martin Hauser zu Hause zu betreuen, und er kam in die Sonnweid. Seit vier Jahren verbringt er seine Zeit im Bett oder im Rollstuhl.
Caroline Schürch war Dozentin an einer Hochschule.
Nachdem sich Studenten über ihre Unzulänglichkeiten beklagt hatten, wurden Abklärungen eingeleitet.
Erst am nächsten Morgen kam sie zurück und wusste nichts mehr von ihrem Ausflug. Von da an konnte sie nicht mehr alleingelassen werden. Vor sieben Jahren – sie war damals 53 – kam sie in die Sonnweid. Seit einem Jahr bewegt sie sich kaum mehr und schläft viel.
Wie erlebten Sie den körperlichen Abbau Ihrer Partnerin?
Oskar Winter*: Es ging langsam. Vor etwas mehr als einem Jahr freuten wir uns noch, wenn sie sich im Bett aufsetzte und zum Rollstuhl gehen konnte. Dann baute sie immer mehr ab. Sie hatte auch viele Zuckungen. Sie bekam ein Medikament dagegen, doch das machte sie noch müder.
Jetzt bekommt sie noch etwas gegen die Müdigkeit. Wenn ich sie besuche, sitze ich vor dem Essen eine halbe Stunde bei ihr. Sie kann nicht mehr sprechen, nimmt mich aber wahr. Wenn ich ihre Hand halte, wird sie ruhiger.
Erkennt Sie Ihre Partnerin noch?
Oskar Winter: Manchmal schaut sie mich an und lächelt. Mir ist es nicht wichtig, ob sie mich erkennt oder nicht – ich kenne sie ja noch.
Monika Hauser: Das geht mir auch so.
Wie reagiert Ihr Mann, wenn Sie auf Besuch kommen?
Monika Hauser: Sehr unterschiedlich. Ich gehe meistens vor dem Essen, weil er relativ unregelmässig schläft. Ich gebe ihm das Essen ein. Wenn ich Zeit habe, bleibe ich länger. Es gibt Tage, an denen er sehr angespannt ist und starke Zuckungen hat. Das Personal sagt mir, er realisiere, dass er Unannehmlichkeiten mache.
Es scheint ihm leid zu tun, aber er kann sich nicht entschuldigen.
Viele Menschen sind befangen, wenn sie jemanden besuchen, der nur noch liegt und nichts mehr sagt. Wie soll man sich verhalten?
Monika Hauser: Man muss sich bewusst sein, dass man keine Kommunikation herstellen kann. Wichtig ist, dass man einfach da ist und vielleicht seine Hand hält. Das spüren diese Menschen, können aber nicht reagieren.
Oskar Winter: Meine Partnerin hatte viele Freundinnen. Viele besuchen sie nach wie vor gerne und sind einfach für sie da. Einige Bekannte ertragen die Situation nicht und kommen nach dem ersten Besuch nicht mehr. Es ist etwas Individuelles, das man nicht lernen kann.
Was kann man für Menschen tun, die nur daliegen und nicht mehr reagieren?
Oskar Winter: Meine Frau sang sehr gerne, und die Musik ist auch jetzt noch wichtig. Sie mag klassische Musik. Zu viel Lautstärke mag sie aber nicht. Berührungen und Zuwendung sind auch wichtig. Wenn sie die Stimmen des Personals hört oder wenn man sie im Bett ein bisschen hochnimmt, lacht sie.
An der Wand neben ihrem Bett hängen Bilder unserer Tochter. Sie schaut sie sehr viel und intensiv an. In der letzten Zeit hat sie sehr oft die Augen geschlossen. Sie lebt in einer mir unbekannten Welt.