«Ich habe mich nie hilflos gefühlt», sagt Krügel heute. «Ich habe immer Unterstützung bekommen. Ich habe immer nach Lösungen gesucht und diese auch gefunden.» Zum Beispiel an der Theaterkasse, wenn sie sich wieder vordrängte und andere verärgerte: Dann verteilte er Kärtchen mit einer kurzen Information zur Krankheit seiner Frau.
Er tat es auch im Kaufhaus an der Kasse – immer dann, wenn die Fehlleistungen so gravierend waren, dass die Mitmenschen das Verhalten unwissend und verständnislos missbilligten.
Damit entlastete er sich auch selbst, denn eine soziale Missachtung fällt auch auf die Begleiter zurück. Mitgefangen, mitgehangen!
Krügel informierte die
Kinder- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) von sich aus. Er sagt es deutlich:
Die KESB habe ihn unterstützt, nicht entmündigt, wie viele immer wieder klagen. Gemeinsam mit seiner Familie, seinem Netzwerk und der Behörde hat er sich der Aufgabe gestellt: Wie können wir entlasten, damit es alle Beteiligten besser haben?
Frau Krügel lebt heute in der Sonnweid. Den Heimeintritt bezeichnet Martin Krügel als einschneidendes, zuerst niederschmetterndes Erlebnis. Dieses Loslassen-Müssen. Das Anerkennen, dass es zu Hause nicht mehr geht, bezeichnet er als grösste Krisensituation.
Die Besuche, sagt er, mache er mehr für sich, sie tun ihm gut. Wie seine Frau die Besuche wahrnimmt, weiss er nicht. Er geht aber davon aus, dass auch sie die gemeinsam verbrachte Zeit geniessen kann.
«Ich habe keine Freunde verloren in dieser Zeit.»
«Stress wurde mir genommen von Menschen, die ich gar nicht gekannt habe.»
«Die Kinder haben ja vermutlich die Gene auch in sich, aber die lassen sich nicht verrückt machen, sie wollen einfach leben.»
Das sind nur drei wörtliche Zitate von dem Mann, der mich sehr beeindruckt hat. Wie kann man so viel richtig machen – wo doch oft so vieles falsch läuft?
Martin Krügel stellte sich dem Menschen mit seiner Krankheit. Er gab einer möglichen Zukunft ein Gesicht, nutzte frühzeitig die Netzwerke und vertraute den Mitmenschen. Dies tat er im Wissen, dass Abschied nehmen zum Leben gehört, und nicht nur zum Tod.
Er stand zu den Gefühlen, die in solch schwierigen Situationen hochkommen. Er erkannte, dass der familiäre Rahmen nicht die allein selig machende Struktur im Krankheitsverlauf sein kann.
Abschied führt immer auch zu Neuem, zu neuen Menschen, zu neuen Dingen. Dies geschieht dann wie von selbst.