Bożena Domańska verliess vor 30 Jahren ihre Heimat Polen, um erst in Deutschland und später in der Schweiz zu arbeiten. Seit zehn Jahren lebt sie in Basel, wo sie Menschen, auch mit Demenz, in deren Zuhause umsorgt. Mit alzheimer.ch spricht sie darüber, was die «24-Stunden-Pflege» tatsächlich leisten kann – und wo Probleme liegen.
alzheimer.ch: Frau Domańska, für viele Familien klingt die 24-Stunde-Pflege nach einer perfekten Lösung: Der Mensch mit Demenz kann weiter zu Hause wohnen und wird rundum versorgt. Ist das in Ihren Augen auch eine Ideallösung?
Bożena Domańska: Für manche ist es eine gute Lösung, aber ich sehe auch Probleme. Dieses Modell kann schwierig werden, sowohl für den Menschen mit Demenz als auch für die Betreuungskraft. Jemanden mit Demenz zu betreuen und pflegen erfordert einiges an Wissen und viel Erfahrung. Und:
Niemand kann sich alleine um eine Person mit Demenz kümmern, auch keine Betreuungskraft.
Manche Familien haben aber die Erwartung, dass eine Betreuungskraft aus Polen oder Rumänien 24 Stunden täglich im Einsatz ist und die ganze Pflege und Betreuung übernimmt. Das funktioniert nicht.
Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?
Ich habe über zwei Jahre eine Frau mit Demenz betreut. Die Familie war sehr besorgt und sie hatte grosse Probleme mit ihr. Die Frau ist häufig von zu Hause weggelaufen, hat aber nicht mehr zurückgefunden und wurde dann von der Polizei heimgebracht.
Die Familie wusste nicht, wie sie mit ihr umgehen soll. Es kam zu vielen Schwierigkeiten und auch aggressivem Verhalten. Aber das lag auch daran, dass die Frau keine Stabilität hatte. Ich bin zu ihr gezogen und habe ihr Vertrauen gewonnen. Ich erinnere mich an eine schöne Zeit mit ihr, obwohl es oft anstrengend war.
Was waren Ihre Aufgaben?
Ich habe mit ihr den Alltag gelebt. Ich habe ihr eine Tagesstruktur vorgegeben, weil ich gemerkt habe, dass ihr das guttut. Ich habe sie morgens geweckt, ihr beim Waschen und Anziehen geholfen, ihr das Frühstück bereitet und dann tagsüber unterstützt bei dem, was anlag. Manchmal hatte sie einen Arzttermin oder hat sich mit jemandem getroffen.
Ich habe mich auch um den Haushalt gekümmert: gewaschen, geputzt, gekocht. Nachmittags haben wir einen Spaziergang gemacht oder waren in einem Café. Ich habe mit ihr gelesen oder ferngesehen. Abends habe ich ihr beim Zubettgehen geholfen.
Und nachts?
Menschen mit Demenz verwechseln oft Nacht und Tag. Phasenweise war das bei der Dame auch so. Dann ist sie um zwei Uhr nachts aufgestanden. Ihr Schlafzimmer war oben und meines auch. Sie konnte sich noch gut alleine bewegen und ist dann nachts mit dem Lift nach unten ins Wohnzimmer gefahren.
Wenn ich den Lift gehört habe, wusste ich, dass sie unterwegs ist.
Ich bin hinuntergegangen und habe gesagt, dass es doch mitten in der Nacht ist. Für sie war es Nachmittag. Sie wollte fernsehen und ich habe sie gelassen. Aber ich konnte natürlich nicht mehr schlafen. Manchmal ist sie auch nachts herumgelaufen und in mein Zimmer gekommen. Da habe ich mich sehr erschrocken. Sie war auf der Suche nach ihrem Mann, der längst tot war. Menschen mit Demenz leben in ihrer eigenen Welt.
Das klingt, als wären Sie doch 24-Stunden im Einsatz. Wie ist das mit den Arbeitszeiten?
Gerade wenn man Menschen mit Demenz betreut, muss man flexibel sein. Das gilt auch für die Arbeitszeiten. Manche Tage sind aktiver, andere ruhiger. Ich höre oft von anderen, dass die Betreuung in der Nacht ein grosses Thema ist. Da muss man aufpassen, dass die Menschen nicht aus dem Bett fallen. Oder sie wandern nachts durch Haus, weil der Tag-Nacht-Rhythmus fehlt. Als Betreuungskraft raubt das viel Kraft. Man muss ja tagsüber fit sein und sich kümmern.