Kommentar
Dieses Gespräch ist ursprünglich in der Zeitschrift «pflegen: Demenz» (44/2017) erschienen. Vielen Dank für die Gelegenheit zur Zweitverwertung. Herausgeber Detlef Rüsing hat im Zusammenhang mit dem Interview folgenden klärenden Kommentar veröffentlicht:
Liebe Leserinnen und Leser,
dieses schriftlich geführte Interview mit dem von mir hochgeschätzen Demenzexperten Michael Schmieder thematisiert unter anderem neben verschiedenen Formen des «Täuschens» auch die «heimliche» Medikamentengabe; also das – ohne Wissen einer demenzerkrankten Person – (beispielsweise) Untermischen von Medikamenten unter das Essen. Michael Schmieder selbst bemerkt, dass dies in seinen Augen «eine angreifbare Position ist».
Er sagt: «Das Untermischen von Medikamenten kann durchaus rechtfertigbar sein, nämlich dann, wenn es sich um ein Medikament handelt, welches für den Kranken unmittelbar notwendig ist, um keine zusätzliche akute Verschlechterung zu erleben. Es kann auch gerechtfertigt sein, Medikamente heimlich unterzumischen, wenn die Situation einer Gruppe nur dadurch erträglich bleibt, dass dieser eine, immer schreiende Bewohner wenigstens ab und zu ruhig ist.»
Ich bin in der Formulierung von Herrn Schmieder über diesen Punkt gestolpert, verstehe die seiner Position zugrundeliegende Problematik, kann allerdings seine Aussagen diesbezüglich nicht unterschreiben. Aus diesem Grunde möchte ich Sie an dieser Stelle zumindest auf die nach deutschem Recht vorliegende rechtliche Problematik des Untermischens von Medikamenten hinweisen:
Grundsätzlich ist die Gabe von Medikamenten gegen den erklärten oder den mutmaßlichen Willen eines Menschen mit oder ohne eine Demenzerkrankung nach deutschem Recht nicht erlaubt. Ein Psychopharmakon beispielsweise darf ohne richterliche Genehmigung – selbst mit den besten Absichten – nicht gegen den Willen einer demenzerkrankten Person «heimlich» unter sein Essen gemischt werden.
Es gibt allerdings Rahmenbedingungen, unter denen die Gabe lebenswichtiger Medikamente ohne Wissen des Betroffenen nach deutschem Recht erlaubt sind. Ich bitte Sie eindringlich, sich zu diesem Thema bei Bedarf im konkreten Fall rechtlich beraten zu lassen. Besprechen Sie dies beispielsweise mit Ihren Vorgesetzten und/oder Ihrem Arbeitgeber. Zu dieser Thematik hat der Rechtsanwalt und Fachanwalt für Sozial- und Arbeitsrecht,
Ulrich Rüsing, in der letzten Ausgabe von
pflegen: Demenz (Thema Medikamente) einen eindeutigen und ausgesprochen informativen Grundlagentext verfasst (Rüsing, U., 2017)
1. Des Weiteren hat in der gleichen Ausgabe der Fachreferent für Gerontopsychiatrie,
Johannes van Dijk, einen lesenswerten Artikel über den praktischen Umgang mit dem geschilderten Problem verfasst (Van Dijk, Johannes, 2017)
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Diese von mir gemachten Hinweise bezüglich der rechtlichen Problematik erscheinen mir ausgesprochen wichtig. Herausgeber und Autoren von
pflegen: Demenz müssen nicht einer Meinung sein. Im Gegenteil: Es wäre in meinen Augen sogar höchst verdächtig, wenn dies immer so wäre! Im vorliegenden Fall bezieht sich allerdings meine Kritik an den Aussagen Schmieders ausschließlich auf die zitierten Zeilen. Ansonsten stimme ich mit ihm in großen Teilen seiner Aussagen überein. Es wäre prima, wenn wir dieses Interview zum Anlass nähmen, dieses brisante Thema weiterhin miteinander kontrovers zu diskutieren.
Wie stehen Sie zu der Problematik? Ich freue mich über Ihre Post!
Schreiben Sie mir eine E-Mail.
Ihr Detlev Rüsing
1 Rüsing, U. (2017): Kuckucksei oder Kuckucksnest. Durch verdeckte Medikamentengabe stationäre Zwangsbehandlung vermeiden? In: pflegen: Demenz 43/2017
2 Van Dijk, J. (2017): «Die Tabletten nehme ich nicht!», Umgang mit Menschen mit Demenz, die ihre Medikamente nicht einnehmen möchten. In: pflegen: Demenz 43/2017