Jedem Menschen wohnt das lebendige Prinzip der «Selbstaktualisierung» inne: Er integriert bewusst oder unbewusst stets eigene Persönlichkeitsanteile, entwickelt sich weiter und verwirklicht sich selbst1. Ist ihm dies möglich, kann er sich trotz Veränderungen und Wandlungen im Lebenslauf als kontinuierliche Einheit erleben (Ich-Kontinuität).
Wird dieses «innere Wachstum», wie es Erich Fromm einmal bezeichnet hat, verhindert, oder werden Krisen und Wirklichkeitserfahrungen unerträglich, kann das «VER-rücken» eine Möglichkeit der Selbstregulation und Teil einer veränderten Welt- und Lebensauffassung sein.
Man weiss inzwischen, dass das Alter eine Trauma-sensible Phase ist und Reaktivierungen früherer, traumatischer Erlebnisse wahrscheinlicher werden, weil soziale Rollen und berufliche Aufgaben in den Hintergrund treten. Eine Schwedische Langzeitstudie (1968-2005)2 konnte zum Beispiel einen bedeutsamen Zusammenhang zwischen traumatischen Erlebnissen im Lebenslauf und einer späteren Alzheimer-Entwicklung nachweisen.
Folglich sind ungewöhnliche Bewusstseinszustände und Affekte nicht automatisch pathologisch, sondern können normaler Bestandteil psychischer Entwicklungs- und Transformationsprozesse sein3.
Die Beschäftigung mit Lebensthemen, innerer Produktivität und Verarbeitungsprozessen endet nicht plötzlich mit dem Beginn einer Demenz.
Die Bearbeitung von Lebensthemen geschieht aber unbewusst-emotional weiter und kann sich in herausforderndem und befremdlichem Verhalten äussern. Möchten wir Menschen mit Demenz erreichen, müssen wir ihre Ausdrucksmöglichkeiten und «anderen» Wahrnehmungsqualitäten von Wirklichkeit anerkennen. Echte Bezogenheit, emotionale Präsenz und ein liebevoller Umgang werden fundamental. Eine nicht authentische Begegnung wird sofort bemerkt und kann enttäuschte und wütende Reaktionen auslösen.