Wie oft sollen wir unsere Eltern besuchen? Dürfen wir zu ihrer Goldenen Hochzeit oder zu Weihnachten im Urlaub sein? Dürfen wir unsere Heirat vor ihnen verheimlichen? Müssen wir ihnen helfen, wenn sie ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen können? Besonders anspruchsvolle Fragen stellen sich, wenn die Mutter und/oder der Vater krank sind und Unterstützung brauchen. Können wir die Unterstützung im Haushalt und die Pflege guten Gewissens Dritten überlassen?
Wie gehen wir mit ihren Vorwürfen und unseren Schuldgefühlen um? Müssen wir unseren Vater mehrmals wöchentlich im Heim besuchen, wenn er uns wegen seiner Demenz nicht mehr erkennt? Philosophie und Ethik sind in solchen Fragen gute Wegweiser und Ratgeber. Dies zeigt zum Beispiel das Buch «Warum wir unseren Eltern nichts schulden».
Die Autorin und Philosophin Barbara Bleisch war zehn Jahre lang am Ethik-Zentrum der Universität Zürich tätig und leitete unter anderem Studiengänge in angewandter Ethik, in denen sie bis heute Dozentin ist. Seit 2010 moderiert sie die SRF-Sendung «Sternstunde Philosophie».
Anders als es der Titel suggeriert, ist das Buch kein Freipass dazu, die Bedürfnisse der Eltern zu ignorieren und ihre Gefühle zu verletzen. Bleisch argumentiert systematisch von verschiedenen Perspektiven aus. Sie erzählt Fallbeispiele, lotet Konflikte aus, zitiert grosse Denker und räumt auf mit alten Klischees und Moralvorstellungen. Damit gibt sie den Lesern gleichzeitig Rat und Freiheit in der Beziehungsgestaltung zu den Eltern.
Die Schuld
Die meisten Eltern investieren sehr viel in die Betreuung und Erziehung ihrer Kinder. Sie haben in neue Rollen zu schlüpfen und sich neue Gewohnheiten und Routinen anzulegen. Schulden erwachsen gewordene Kinder ihren Eltern deshalb Gegenleistungen?
Erbitte zuerst Gesundheit, dann Wohlergehen, drittens ein frohes Herz und zuletzt, niemandes Schuldner zu sein.
Ein weiteres Manko dieser Analogie sei die fehlende Vereinbarung. Verallgemeinern liesse sich eine Schuld im Übrigen nicht, weil manche Eltern in der Erziehung vollkommen versagt hätten.