2. Oktober 2010 – Übel gelaunt
Ich hätte allen Grund zur Dankbarkeit. Ich konnte diese Nacht durchschlafen! Aber eben nur «hätte». Statt frohgemut zu sein, finde ich mein Gleichgewicht nicht. Früh ging ich einkaufen, dann Mittagessen zubereiten (der Rindsbraten misslang, war zu hart, grrr), dann kurz mich hinlegen.
Später im Garten die verbleibenden Blümchen schneiden und einstellen. Herrlich warm war es, dennoch mochte ich mich nicht einrichten für eine Siesta draussen. Das kenne ich nicht von mir, launisch zu sein. Das ist neu. Wie umgehen damit? Sich einfach beschäftigen?
So viel gäbe es zu tun. Doch ich habe einfach keine Energie, keine Lust. Die paar Tage Erkältung haben mich recht flach gelegt.
Also spiele ich wieder mal Solitär auf meinem Notebook, amüsiere mich ein wenig. Muss ich eigentlich immer etwas leisten?
Mein Tagebuch
Diese Aufzeichnungen sind ehrlich, ungeschminkt, offen und authentisch. Mit der Veröffentlichung im Internet gehe ich bewusst das Risiko des mich (zu sehr?) Öffnens ein – aber mit brennendem Herzen. Meine Notizen zeigen ein eigenes, persönliches und ungeschöntes Bild vom Begleiten meines dementen Partners. Mögen diese Tagebucheinträge Menschen in ähnlicher Situation helfen.(uek)
Hier finden Sie alle bisher veröffentlichten Tagebucheinträge.
Es ist bald acht Uhr. Mir dämmert͛s – ich weiss nun, woran ich leide: Mangel an Vitamin L. Carlo hat vor einer Stunde angerufen, da wurde mir klar, dass ich unterernährt bin. Auch wenn gestern etliche Besuche da waren – ausser Peter und Margret hat niemand bemerkt, dass es mir nicht gut geht.
Man kann sich auch andersrum erkälten, mit zu wenig Beziehungen pflegen und Mangel an Liebe. Mir wird bewusst, dass ich vereinsame. Drei Tage lang konnte ich die Wohnung nicht verlassen. Mir fehlen die Gespräche, der Gedankenaustausch, das «wahrgenommen werden».
Das Gespräch mit Carlo tat mir gut. Endlich durfte ich wieder einmal lossprudeln, alles sagen, was mir so durch den Kopf ging, Gedanken austauschen ohne jedes Wort abwägen und filtern zu müssen. Meine Lebensgeister wurden geweckt.
Auch lachen, herzlich und spontan, das kann man mit Carlo. Mit Paul ist das nicht mehr möglich. Auch das macht mich so traurig und kraftlos.
Ich gebe Paul den ganzen Tag so viel von mir an Liebe, Mitgefühl, Zuwendung, meistens muss ich Fragen zwei drei Mal wiederholen. Dann geduldig auf Antwort warten, mich immer ausrichtend auf ihn ob er verstehen kann.
Unsere Beziehung ist sehr anstrengend. Es ist eher ein Arbeitseinsatz, nur ohne Feierabend und Erholungszeit. Deshalb heute die schlechte Laune.
Ich bin ausgelaugt. Das Problem ist nur, ich habe zurzeit keine Energie, um aus diesem Loch herauszukommen und etwas Abwechslung zu suchen …
Meine Bettlektüre: Necla Kelek «Himmelsreise». Ich informiere mich über den Islam, Mohammed, die Muslime, die Moscheen in Deutschland und lerne was Ehre, Respekt und Glaube für die Muslime bedeutet. Necla kennt sich aus als Muslima. Da gibt es keine Freiheiten (wie Erdogan auch zugab), nur Unterwerfung (Übersetzung des Wortes Islam).