Vor zwölf Jahren schaffte sich die Sonnweid für den aus heutiger Sicht unglaublichen Betrag von zweitausend Euro eines der ersten GPS-Geräte an. Diese begannen soeben den Markt zu erobern. Die Geräte wurden Kidsfinder genannt – es ging damals darum, Kinder damit zu überwachen.
Geworben wurde mit der Angst der Eltern vor Kindesentführungen. Eine Ausweitung des Marktes sahen die Verkäufer bei der Anwendung für Menschen mit eingeschränkten kognitiven Fähigkeiten.
Wir testeten die GPS-Geräte dieser ersten Generation intensiv. Sie liessen in verschiedener Hinsicht zu wünschen übrig und waren zudem sehr unzuverlässig. Schnell wuchsen die Angebote. Wir benutzten die neueren Geräte und machten bei unseren Tests jetzt sehr gute Erfahrungen. Wir gaben sie den Bewohnerinnen mit, die noch selbständig die Sonnweid für ihre täglichen Spaziergänge oder Ausflüge mit Bus und Bahn verlassen konnten.
Von Beginn an fragten wir die Bewohner immer, ob sie ein solches Gerät mit sich tragen wollten und gaben es nur nach deren Einverständnis mit. Wir erklärten jeweils, dass es zwar um den Test der Geräte ging, aber dass wir schon hofften, sie mit Hilfe des GPS schnell wiederzufinden, sollten sie den Weg zurück ins Heim nicht finden.
Manchmal erwies sich das GPS als nützlich. Eine Frau hatte die Angewohnheit, am Morgen und nachmittags einen etwa fünf Kilometer langen Spaziergang zu machen – sie wählte immer denselben Weg. Einmal sahen wir auf unserem Bildschirm, dass die Frau in einer Schleife lief, immer und immer wieder und einfach nicht mehr herausfand. Es war ein sehr heisser Tag und wir konnten sie dank des Gerätes aus ihrer misslichen Lage herausholen.
Ein Mann unserer Wohngruppe hatte ein GA und war noch so selbständig, dass er alleine grössere Zugreisen unternehmen konnte. Manchmal sahen wir über das GPS, dass er das von ihm gewünschte Ziel nur über grosse Umwege erreichte, doch dies war kein Problem.Bei einer andern Frau, die mit einem GPS unterwegs war, bemerkten wir kurz vor sechs Uhr abends, dass sie sich im Wäldchen hinter den Zielscheiben des Schiessplatzes in Erlosen aufhielt. Es war ein Mittwochabend und mir kam in den Sinn, dass dort heute Betrieb herrschte. Ich stieg ins Auto, raste zum Schiessstand und informierte den Schützen, der dort Aufsicht hatte, dass jemand gefährdet sei. Er sorgte sofort dafür, dass noch nicht geschossen wurde. So konnte ich die Frau sicher nach Hause bringen.
Einmal sah ich, wie er in Wetzikon angekommen war, aber nicht direkt in die Sonnweid zurückkehrte. Als er dann auftauchte, fragte ich ihn: «So, hat das Bier im Schweizerhof geschmeckt?» Er schaute mich verärgert an und sagte: «Dieses Gerät nehme ich nicht mehr mit.»
Ich bedauerte meine Frage sofort, denn hier zeigte sich deutlich, dass die Mitnahme eines GPS-Gerätes der Sicherheit dienen soll und nicht der Überwachung.
Eines der Probleme mit diesen Geräten war, dass sie manchmal plötzlich nicht mehr funktionierten. Wir gaben einmal einer Frau eines mit, die täglich mit ihrem Hund spazieren ging. Plötzlich war das GPS-Signal auf unserem Bildschirm nicht mehr sichtbar. Zum Glück hatte die Frau ihren Hund bei sich, denn der fand immer den Weg nach Hause.
Das Mobecs-Projekt
2013 nahm die Sonnweid an einem europäischen AAL-Projekt (Ambient Assisted Living) teil namens Mobecs. Ziel von Mobecs war es, ein GPS-Gerät zu entwickeln, welches speziell auf die Bedürfnisse von Menschen mit einer dementiellen Erkrankung zugeschnitten ist. (Den ausführlichen Testbericht finden Sie hier).
Um diese Bedürfnisse zu ermitteln, machte ich strukturierte Interviews mit Angehörigen, Betreuenden und Ärzten. Anschliessend wurden daraus Kriterien definiert. Die Geräte mussten zuverlässig funktionieren in Bezug auf Positionsangabe, Batteriedauer und Geofencing.
Wichtig für ein passendes GPS ist natürlich auch, dass es klein, robust und einfach zu bedienen ist. Weitergehende Funktionen wie Notrufknopf, bidirektionale Kommunikation (Telefon) sind für Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung verwirrend und viel zu kompliziert in der Anwendung.
Da zu diesem Zeitpunkt bereits eine Vielzahl von Geräten auf dem Markt waren, die diesen Kriterien entsprachen, wurde von Mobecs kein eigenes Gerät entwickelt.
Heute gibt es GPS-Geräte von verschiedenen Anbietern. Sie werden am Handgelenk oder um den Hals getragen, als Sohle in den Schuh gelegt oder am Gürtel befestigt. Es gibt auch Apps auf dem Smartphone, die es mir erlauben, den Weg eines Betroffenen zu verfolgen – dessen Einverständnis vorausgesetzt.
Bei der Anschaffung eines solchen Systems ist es wichtig, dass keine langfristig bindenden Verträge mit Anbietern und Providern eingegangen werden. Denn die Situation kann sich schnell ändern.
Solche GPS-Systeme machen Sinn bei an Demenz erkrankten Menschen, die sich als Fussgänger noch sicher im Strassenverkehr bewegen. Positiv ist, dass dank eines solchen Gerätes ihre Bewegungsfreiheit erhalten bleibt. Aber wirkliche Sicherheit gibt ein GPS-Tracker weder den Betreuenden noch den Angehörigen. Manchmal gilt es abzuwägen, was wichtiger ist.