Es fällt vielen Young Carers schwer, Unterstützung und Hilfe anzufordern. Einerseits finden es viele normal und verpflichtend, ihren Eltern beizustehen. Andererseits fürchten sie sich davor, ihre Familie «zu verraten». Aussenstehende (Mitglieder der erweiterten Familie oder Behörden) könnten die Familie auseinanderreissen. Zudem fehlen geeignete niederschwellige Beratungs- und Unterstützungsangebote.
Ein sechsjähriges Mädchen, das der kranken Mutter eine Salbe bringt, erlebt sich als nützlich. Wenn aber dieses Mädchen der am Boden liegenden Mutter ein überlebenswichtiges Medikament geben muss, wird die Nützlichkeit zur Überforderung.
Die chronische Erkrankung eines Elternteils ist auch für ein Kind ohne pflegerische Verantwortung eine Belastung.
Wenn das Kind auch noch hauptverantwortlich ist für das Wohlbefinden und Überleben des Elternteils, ist dies traumatisierend. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass sich solche Kinder und Jugendliche psychisch ungünstig entwickeln. Ungünstig ist auch, wenn ein krankes Geschwister oder ein kranker Elternteil die ganze Aufmerksamkeit der restlichen Familie auf sich zieht.
Konzentrationsschwächen, Rückzug und Schlafmanko
Studien haben aufgezeigt, dass psychische Überlastungssymptome bei Young Carers doppelt so häufig auftreten wie bei anderen Kindern und Jugendlichen. Häufige Symptome sind nachlassende Leistungen in Schule oder Lehre, Konzentrationsschwächen, Rückzug und Schlafmanko.
Eine Gruppe von Fachleuten um die Careum-Professorin Agnes Leu arbeitet nun an der Sensibilisierung von Privatpersonen und Institutionen (Schulen, Spitex, Sozialdienste, Interessenverbände, Beratungsstellen etc.). Sie hat Gruppen ins Leben gerufen, in denen sich Young Carers in ungezwungenem Rahmen austauschen können.
Auch auf politischer Ebene tut sich etwas.
In der Schweiz will der Bund pflegende Angehörige mit verschiedenen Massnahmen unterstützen (unter anderem durch bessere Entlastungsangebote und bezahlte Pflegeurlaube).
Auf Drängen von Interessenverbänden sind auch Jugendliche und Kinder in diesen Aktionsplan aufgenommen worden. Im neuen Regierungsplan Österreichs ist eine «präventive Entlastung für pflegende Angehörige, insbesondere der Young Carers» vorgesehen.
Netzwerk und Anlaufstellen
Careum fördert nun den Aufbau eines Netzwerkes mit Anlaufstellen, Entlastungsdiensten und Plattformen zum Austausch. Dieses Netzwerk soll auch bestehende Strukturen nutzen – wie zum Beispiel jene von Alzheimer Schweiz.
→ Hier gehts zum Interview mit der Careum-Professorin Agnes Leu
Die Datenlage zu Young Carers, die in der Schweiz Menschen mit Demenz betreuen, ist allerdings sehr knapp. Aus einer Angehörigenbefragung von Alzheimer Schweiz (2012) geht hervor, dass nur sieben Prozent der betreuenden Angehörigen unter 30 Jahre alt sind.
«Es könnte gut sein, dass es heute mehr sind», sagt Karine Begey, stellvertretende Geschäftsleiterin von Alzheimer Schweiz. «Unser nationales Alzheimer-Telefon bekommt regelmässig Anrufe von Young Carers. Sie haben ähnliche Fragen wie andere betreuende Angehörige. Es sind in der Regel Enkel von Menschen mit Demenz, die nicht unbedingt unter dem Rentenalter sind.»
In den Sektionen Zürich und Waadt gibt es bereits Gesprächsgruppen für junge Angehörige. Weil Alzheimer Schweiz immer mehr Anfragen in diese Richtung bekommt, sind nun Überlegungen zu noch mehr spezifischen Angeboten im Gang.
* Alle Namen der erkrankten und pflegenden Menschen wurden von der Redaktion geändert.