demenzjournal: Frau Kornadt, woran liegt es, dass sich heute ältere Menschen deutlich fitter und aktiver fühlen als die Generationen vor ihnen?
Anna Kornadt: Es ist tatsächlich schwierig, solche historischen Vergleiche anzustellen, da uns dazu oft empirische Daten fehlen. Allerdings gibt es eine neuere Studie, die zeigt, dass sich ältere Menschen heute im Vergleich zu früheren Generationen jünger fühlen, als sie chronologisch sind.
Das könnte zum einen daran liegen, dass es den Menschen tatsächlich besser geht, sie gesünder, körperlich und kognitiv fitter sind als die Menschen früher. Andererseits könnte es sein, dass sie sich stärker vom negativen Bild des Alters abgrenzen wollen. Altern ist, wie man heute weiß, auch Ansichtssache.
Wie weit spielen die Bilder, die wir vom Alter im Kopf haben, für unser Älterwerden eine Rolle?
Mehrere Studien zeigen, dass Menschen mit positiven Altersbildern sich gesünder verhalten und auch tatsächlich gesünder sind, mehr soziale Kontakte haben, zufriedener sind und auch länger leben als Menschen, die negativer über ihr Alter denken.
Woran liegt das?
Die Forschung geht davon aus, dass positive Altersbilder eine wichtige psychologische Ressource sind und unser Verhalten beeinflussen. Das heißt: Wer positiver über das Alter denkt, ist eher motiviert, selbst dazu beizutragen, dass er gesund bleibt, indem er etwa regelmäßig Sport treibt.
Wie wirken sich negative Altersbilder aus?
Sie können Stress auslösen, weil vermehrt das Stresshormon Cortisol ausgeschüttet wird. Das kann negative Wirkungen auf unser Herz-Kreislauf-System haben. Außerdem zeigen Studien, dass Menschen mit einem negativen Altersbild eine schnellere Zellalterung haben als diejenigen, die positiv über das Alter denken.
Psychologisch führen negative Altersbilder zu einem geringeren Lebenswillen und einer eingeschränkten Motivation, aktiv zu werden.
Wer negativer über das Alter denkt, bewegt sich weniger, trifft weniger Freunde?
Genau. Und das kann wiederum dazu führen, dass Menschen sich als weniger selbstwirksam erleben, also nicht glauben, dass sie ihre Ziele und Wünsche auch erreichen können. Dieses Gefühl schlägt dann häufig auf das Selbstwertgefühl und hindert Menschen daran, weiter aktiv zu sein.
Können negative Altersbilder auch eine Demenz begünstigen?
Tatsächlich zeigen inzwischen mehrere Studien, dass Menschen mit negativeren Altersbildern eine höhere Wahrscheinlichkeit haben, an Demenz zu erkranken – insbesondere, wenn bei ihnen ein genetisches Risiko für Demenz vorliegt.