Eigentlich ist es ein Chlüpplisack (ein Sack mit Wäscheklammern). Also eine kurze Schürze, die man sich umbinden kann und so die darin aufbewahrten Wäscheklammern immer praktisch zur Hand hat. Doch in diesem Chlüpplisack befinden sich keine Chlüppli. Und es muss auch keine Wäsche aufgehängt werden.
Es gibt ein rechtes und ein linkes Fach, und die Gegenstände auf der einen Seite haben ein Pendant auf der anderen Seite. Das können kleine Holzteile in verschiedenen Formen sein, aber auch Alltagsgegenstände wie Bleistifte, Löffel, Büroklammern usw. Das Ziel ist es, durch Tasten die jeweils gleichen Gegenstände im linken und im rechten Fach zu finden.

Der Chlüpplisack ist eins der Spiele, die Esther Baumann-Steiger für Menschen mit Demenz entwickelt hat. Die Aktivierungs- und Ergotherapeutin arbeitete damals in einem Alterszentrum der Stadt Zürich und war auch für die Auszubildenden sowie für Zivildienstabsolventen zuständig.
«Die Studierenden hatten immer wahnsinnig viel Theoriewissen, die Zivildienstler kamen meist ohne grosse Vorbildung in diesem Bereich und beide brauchten Instrumente für die Praxis», sagt Baumann-Steiger.
Sie dachte, Spiele wären doch super und machte sich auf die Suche. Leider erfolglos. «Es gab nichts Brauchbares.» Also fing sie an, für sich selbst Spiele zu entwickeln.
2005 entstand das allererste Spiel. Es war ein Würfeldomino. Bei diesem Spiel sind auf einem grossen Spielplan Dominosteine in den jeweiligen Kombinationen von zwei Würfeln abgebildet, mit denen dann reihum gewürfelt wird.
Sobald die spielende Person das richtige Feld gefunden hat, kann sie es mit einer Karte zudecken und die nächste ist an der Reihe. Wer die Zahlen nicht mehr so genau weiss, kann auf diese Weise auch einfach die Anzahl Augen vergleichen und kommt trotzdem auf eine Lösung.
Das Spiel probierte Esther Baumann-Steiger sogleich an ihrem Arbeitsplatz aus. Motiviert von der erfolgreichen Durchführung tüftelte sie weitere Spiele aus.
«Am Anfang bastelte ich mit Kartons von Schokoladeverpackungen und klebte von Hand Punkte auf bestehende Würfel».
Ihre selbst entworfenen Spiele zeigte Esther Baumann-Steiger Gleichgesinnten an einem Erfahrungsaustausch. Alle waren begeistert davon, nur – selbst herstellen? Der zeitliche und materielle Aufwand schreckte die meisten ab. So kam sie auf die Idee, die Spiele auch für andere herzustellen und zu vertreiben. Für die Produktion von Holzmaterialien fragte sie bei Behindertenwerkstätten nach, beendete jedoch die Zusammenarbeit aus finanziellen und qualitativen Gründen rasch wieder.
«Von da an machten wir alles selbst», erzählt Baumann-Steiger. Das Familienunternehmen ergoway war geboren.
Ihr Ehemann ist für das Handwerkliche zuständig und sägt Holzmaterialien mit grösster Präzision zu. Die beiden Söhne kümmern sich um die Finanzen und den Öffentlichkeitsauftritt.
Für den «Rest» ist Esther Baumann-Steiger selbst zuständig. Das bedeutet kleben, malen, fotografieren, werken, austüfteln, beschriften, zusammenstellen. Und natürlich Ideen generieren. Die kommen ihr oft beim Wandern oder Spazieren. Wichtig sei ihr, dass man die Spiele in Einzel- und Gruppensituationen anwenden könne. Und dass sie nicht kindlich wirkten.

Neben den Spielen hat Esther Baumann-Steiger während langer Zeit Kurse im Bereich Aktivierung zu den Themen Handwerk und Garten angeboten, aber auch solche, in denen sie ihre eigenen Spiele Fachpersonen näherbrachte.
Inzwischen ist der 70-Jährigen der Aufwand zu gross geworden und sie beschränkt sich auf interne Weiterbildungen an Institutionen oder bestehende Workshops, an denen sie nur einen Teil des Programms bestreitet.
Noch vor drei Jahren hat sie aber für einen neuen Kurs nochmals eine Serie komplett neuer Spiele entworfen. «Viele Teilnehmende kannten mich, und ich konnte ja nicht wieder die alten Sachen bringen».
So umfasst ihr Angebot nun 17 Spiele, einige davon in zwei- bis zehnfacher Variante wie beispielsweise das Bilderlotto, das es zu den unterschiedlichsten Themenbereichen wie den Jahreszeiten, Bäumen, Weihnachten, Haustieren etc. gibt.
Die Spiele sind alle praxisgetestet. Da Esther Baumann-Steiger parallel zur Spielentwicklung immer mit Betroffenen gearbeitet hat, nahm sie jeweils den Prototyp zum Ausprobieren an ihren Arbeitsplatz mit. «Oft musste ich noch Dinge verändern wie Farben oder Schriftgrössen», sagt sie. Bei den Anwenderinnen und Anwendern wird das geschätzt.
Man könne die Spiele sofort anwenden und umsetzen, ohne lange Spielregeln lesen zu müssen, bekommt sie oft als Feedback zu hören.
«Für die Bilder habe ich meine ganze Familie losgeschickt», sagt Baumann-Steiger und lacht. So wurde der Sohn, als er im Welschland in der Rekrutenschule war, beauftragt, in Genf den Jet d’eau zu fotografieren. Eigentlich hatte Esther Baumann-Steiger sämtliche Bilder einkaufen wollen, doch das war ihr zu teuer: «Die Spiele sollen trotz grossem Aufwand immer noch erschwinglich sein.»