Zusammen lachen - demenzjournal.com

Humor

Zusammen lachen

Weder selbsterniedrigend noch selbstverherrlichend: Frauen lachen über ihre eigenen Fehler, verwandeln schlechte Erfahrungen in lustige. Das Lachen darüber ist durchaus heilend. Bild shutterstock

Gemeinsames Lachen entspannt – wenn der Humor nicht auf Kosten von anderen Menschen geht. Lachen über komische Situationen hingegen verbindet und ist heilsam.

Mit einer Freundin sitze ich in einem Hotelbett. Ein Aufenthalt in einem Hotel ist für mich etwas ganz besonderes, auch weil ich keinen Fernseher habe. Hier steht der Bildschirm so, dass wir vom Bett aus gute Sicht haben. Es ist warm und kuschelig mit meiner Freundin neben mir, vielleicht haben wir auch eine Schale mit Nüssen bei uns, vielleicht eine Tasse Tee auf dem Nachttisch.

Der Film erzählt von einer Frau, die an Alzheimer erkrankt ist. Es ist der erste Film, den ich zu diesem Thema sehe, das Wort Alzheimer ist noch nicht so geläufig wie heute. Verwirrte alte Menschen haben noch immer Arteriosklerose und nicht Alzheimer. Die Protagonistin im Film ist eine Professorin, die langsam ihr Gedächtnis verliert.

Noch gelingt es ihr, eine kurze Abschiedsrede an der Universität zu halten. Zunehmend verändert sie sich, wandert nachts umher, verirrt sich, findet nicht mehr, was sie sucht, weiss manchmal nicht, was sie überhaupt sucht.

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In diesem traurigen Film eines langsamen Abschieds gibt es – in meiner Erinnerung – eine einzige lustige Szene. Der Ehemann der erkrankten Frau sucht in der Küche nach einer bestimmten Pfanne. Natürlich hat seine Frau wieder alles falsch eingeräumt – diesen Gedanken lese ich in seinem Gesicht. Die Frau steht am Türpfosten, schaut ihm zu, dann sagt sie: Aha, du auch.

Beide brechen in Gelächter aus. Es ist befreiend, dass die beiden im Film miteinander lachen können, trotz der schweren Erkrankung der Frau, trotz oder wegen –  jedenfalls lachen sie zusammen und wir Zuschauer:innen mit ihnen.

Frauen, die nicht lachen, wenn ein Mann einen Witz macht, gelten als humorlos.

Das, so erzählt mir eine Freundin, habe sie vor wenigen Tagen in der NZZ gelesen. In einem Buch aus dem Jahr 1988[i] beschreiben verschiedene Autorinnen und Autoren genau, wie viel das Lachen mit Geschlecht und mit Status zu tun hat:

«Statushohe Menschen lachen auf Kosten anderer, Frauen finden tendenziell andere Dinge amüsant als Männer, Frauen verwenden mehr Selbstironie, Männer mehr Sarkasmus (…), Spassen ist ein Ausdruck von Dominanzgebaren, aber auch von Bemühen um Zuwendung.»

Es kommt also darauf an, wer einen Witz macht. Wer getraut sich, nicht zu lachen, wenn der Chef einen Witz erzählt? Das Nicht-Lachen könnte vom Chef als Ablehnung aufgefasst werden.

Also lieber mitlachen in der Runde, auch wenn der Witz sexistisch ist oder fremdenfeindlich. Denn das sind Witze oft. Wir lachen über die Friesen oder die kleinen Appenzeller, über Frauen, die zu dick sind oder hängende Brüste haben. Ob dieses Lachen trotzdem gesund ist?

Humor als Heilmittel. Unter diesem Titel beschreibt die Autorin Dita Schmidt[ii] viele Wirkungen von Humor: im Allgemeinen ist Humor nicht aggressiv, das gemeinsame Lachen schweisst zusammen und erleichtert die Kommunikation.

Humor kann helfen, mit äusseren Zwängen umzugehen und ist ein Ventil für Zorn und Wut, manchmal ist er auch eine Flucht vor der Wirklichkeit.

Die Werbung einer Krankenkasse bestätigt diese Einschätzung. Gesund sei auch, dass Lachen viele Muskeln bewege, unter anderen den Muskel um den Tränenkanal, was dazu führe, dass wir Tränen lachen.

Das Thema Humor in der Pflege kam vor einigen Jahren auf. Mittlerweile gibt es Bücher, Artikel und Weiterbildungen zum Thema. Humor soll und darf auch in der Pflege eine Rolle spielen. Aber wie?

Als Humor zum Thema wurde, arbeitete ich noch in der Pflege und war an Humor im Alltag gewöhnt, auch wenn ich ihn nicht immer lustig fand. Vor allem in sogenannten Männerzimmern, in denen vier oder gar sechs Männer lagen, schaukelte sich die Situation oft unangenehm auf.

Da ich meist kalte Hände hatte, hörte ich den Spruch «kalte Hände, warmes Herz» fast täglich, oft verbunden mit dem Angebot mir nicht nur die Hände zu wärmen. Gerne erzählten sich die Männer sexistische Witze, während ich an einem Bett beschäftigt war, immer mit einem Seitenblick auf mich, ob ich sie ja gehört und verstanden hätte. Ich fand die Witze selten lustig, lachte oft etwas bemüht.

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Wie aber erklären, dass ich diese Witze nicht mochte? Ich wollte nicht als humorlos gelten. Da lagen diese Männer, einige seit Wochen, sie lagen mit schlecht heilenden Wunden, wurden täglich verbunden, was oft schmerzhaft war.

Ihnen das bisschen Lachen zu verwehren brachte ich nicht über mich. Einige der Männer konnten auch über sich selbst lachen, was ihnen ihre Situation erträglicher machte.

Oft aber wurde ich als Pflegende doch noch eingebunden. Dann, wenn sie, mit Blick auf ihren geschrumpften Penis darauf hinwiesen, dass dieser auch mir keine Freude mehr machen würde.

Natürlich gab es auch die Situationskomik, in denen die wir gemeinsam lachten, es gab die Sprachwitze, die Geschichten von lustigen Erlebnissen. Dieses Lachen entspannte für mich die Situation.

Im schon zitierten Buch wird beschrieben, worüber Frauen unter sich lachen. Der Humor sei, so steht da, weder selbsterniedrigend noch selbstverherrlichend. Frauen würden über ihre eigenen Fehler lachen, würden schlechte Erfahrungen in lustige verwandeln.

Das Lachen darüber sei durchaus heilend. Das was da beschrieben wird, kann aber nur in einem akzeptierenden Umfeld geschehen, eben, wenn Frauen unter sich sind.

Etwas genauer beschreibt beschreibt der Autor Jürgen Streck seine Beobachtungen in einem Tageszentrum. Er hat vier Frauen zugehört, die sich da zweimal in der Woche treffen. Unter sich, so der Autor, würden die Frauen viel mehr von sich preis geben, als in einer direkten Befragung.

Oft erzählten sie sich Witze, schreibt er, die sie sorgfältig aufbauten und fast sketchartig gestalteten. Sie sprachen ganze Dialoge in verschiedenen Tonlagen. Oft erzählten sie auch von eigenen Erfahrungen oder solchen, von denen sie von der Mutter oder Tante gehört hatten. Auch sie verwandelten im Erzählen unangenehme Erfahrungen in lustige.

Und sie erzählten sich schlüpfrige Witze, über die sie sich ausschütteten vor Lachen.

Diese Witze, so der Autor, seien wohl eine Art Ersatzlust. Dies ist wohl auch der Fall bei den Männerwitzen. Der Unterschied besteht darin, dass die vier Frauen unter sich waren.

Seit einigen Jahren sind in Spitälern und Alterszentren Clowns unterwegs. Einmal sass ich beim Mittagessen in der Cafeteria, in der auch die im Zentrum lebenden Menschen assen. Zwei verkleidete Frauen gingen mit einem Sali, wie gahts? von Tisch zu Tisch, sie trugen grosse Hüte, löchrige lange Röcke, eine hatte einen Korb dabei.

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Viele an den Tischen lachten, freuten sich  an der Abwechslung. Ich konnte nicht viel lustiges entdecken an einer löchrigen Jacke. Vielleicht hatte ich Pech und erwischte nicht das beste Clownpaar. Vielleicht auch ist mein Humor ein anderer.

Denn Humor ist etwas sehr persönliches. Nicht alle lachen über das selbe. Darauf ist zu achten, wenn Pflegende mit Betreuten scherzen. Schliesslich geht es auch hier um ein Machtgefälle. Kann sich ein erkrankter Mensch leisten, nicht zu lachen über einen Witz seiner Pflegefachfrau?

Und umgekehrt: Was tut die Pflegefachfrau, die nicht über den Witz des betreuten Menschen lachen kann? Es braucht grosse Sorgfalt, um den Humor im Pflegealltag zu leben, niemanden mit unerwünschten Witzen zu überfahren.

Gelingt es jedoch, gemeinsam zu lachen, verbindet dieses Lachen die Menschen und kann sowohl für Betreute wie Pflegende heilsam und entspannend sein.


[i]    Helga Kotthoff: Das Gelächter der Geschlechter. Humor und Macht in Gespräche von Frauen und Männern. Fischer TB, Frankfurt am Main 1988
[ii]   Dita Schmidt: Humor als Heilmittel, in: Die Schwester. Der Pfleger. 49. Jahrg. 09/10